Steuern & Abgaben

Ist-Versteuerung stärkt die Li­qui­di­tät, Soll-Ver­steuerung schwächt sie

Bei der Soll-Ver­steu­erung geht aus­ge­wie­se­ne Um­satz­steu­er so­fort an den Fis­kus, bei der Ist-Ver­steu­erung nach Ein­gang des Rech­nungs­be­trags. Mit ei­nem An­trag auf Ist- statt Soll-Ver­steu­erung lässt sich al­so die Li­qui­di­tät ver­bes­sern. Tipps gibt die Steu­er­be­ra­tungs­kanzlei.

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Das Steuerrecht steckt voller Überraschungen. Kalt erwischt fühlen sich manche Unternehmerinnen und Unternehmer beispielsweise kurz nach der Gründung, wenn sie erfahren, dass sie dem Fiskus bereits Geld schulden, bevor ihre erste Rechnung überhaupt beglichen worden ist. Diese Pflicht resultiert aus dem für die Umsatzsteuer gesetzlich vorgesehenen Regelfall, der sogenannten Soll-Versteuerung. Danach ist die Umsatzsteuervoranmeldung bereits in dem Monat beziehungsweise Quartal fällig, in dem das Unternehmen die Rechnung ausstellt. Gegebenenfalls vor dem Zahlungseingang, weil eingeräumte Zahlungsziele grundsätzlich keine Rolle spielen. Dieser Soll-Versteuerung können Unternehmerinnen und Unternehmer entgehen, indem sie die Ist-Versteuerung beziehungsweise Ist-Besteuerung beantragen – qua gesetzlicher Definition die Besteuerung nach tatsächlich vereinnahmten Entgelten, also nach dem Begleichen der Rechnung. Firmenchefs und -chefinnen sollten mit ihrer Steuerberatungskanzlei besprechen, ob sich ein entsprechender Antrag für sie lohnt. Die Steuerfachleute können den Unterschied zwischen der Soll- und der Ist-Versteuerung – von manchen auch Soll-Ist-Besteuerung genannt – schnell und einfach erklären. Insbesondere seine Auswirkungen auf die Liquidität.

Soll- oder Ist-Versteuerung – das macht einen Unterschied

Wer kann einen Antrag auf Ist- Versteuerung stellen?

Die Ist-Versteuerung kann auch teilweise möglich sein

Was, wenn das Finanzamt die Ist-Versteuerung ablehnt?

Der EuGH hebelt die Soll-Versteuerung punktuell aus

Soll- oder Ist-Versteuerung – das macht einen Unterschied

Regulär verlangt das Finanzamt die Umsatzsteuer auf Basis der vereinbarten Entgelte, nicht auf Basis der tatsächlichen Zahlungseingänge auf dem Konto. Mit dieser Soll-Versteuerung finanzieren Unternehmerinnen und Unternehmer dem Fiskus die Umsatzsteuer praktisch vor. Es macht also einen großen Unterschied bei der Liquidität, ob die Soll-Versteuerung oder die Ist-Versteuerung gilt. Einfach erklärt, wirkt sich das vor allem aus, wenn Zahlungsziele lang sind, etwa bei Geschäften mit Konzernen und Behörden oder über internationale Grenzen hinweg. Ein Unternehmen muss die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer dann gegebenenfalls mehrere Wochen vor dem Zeitpunkt überweisen, an dem seine Rechnung vom Kunden beglichen wird. Vermeiden lässt sich diese Belastung durch einen Antrag auf Ist-Besteuerung statt Soll-Besteuerung. Dann fällt die Umsatzsteuer erst in dem Monat oder Quartal an, in dem das Geld dem Konto gutgeschrieben wird. Dieser Antrag ist an keine Frist gebunden. Die Umstellung von der Soll- auf die Ist-Besteuerung ist aber nur jeweils zum Jahreswechsel möglich.

Wer kann einen Antrag auf Ist-Versteuerung stellen?

Wer noch keinen Antrag auf Ist-Besteuerung statt der sonst qua steuerrechtlicher Definition vorgesehenen Soll-Besteuerung gestellt hat und unsicher ist, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, sollte dies rasch mit dem Steuerberater oder der Steuerberaterin besprechen. Es lohnt sich. Die Umstellung von der Soll-Versteuerung auf die Ist-Versteuerung kann für die Liquidität eine großen Unterschied machen, sie nämlich erheblich stärken. Den Antrag bewilligen die Finanzämter einer Unternehmerin oder einem Unternehmer gemäß §20 Umsatzsteuergesetz (UStG), sofern sie oder er

  • einen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr von nicht mehr als 600.000 Euro vereinnahmt hat (§19 Abs.3) oder
  • von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach §148 der Abgabenordnung befreit ist oder
  • Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des §18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes ausführt, oder
  • eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist.

Die Ist-Versteuerung kann auch beantragen, wer auf die Möglichkeit zur Befreiung von einer Erhebung der Umsatzsteuer gemäß Kleinunternehmerregelung verzichtet und somit umsatzsteuerpflichtig ist.

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Die Ist-Versteuerung kann auch teilweise möglich sein

Überschreitet der Vorjahresumsatz die 600.000-Euro-Marke, darf im Folgejahr die Ist-Besteuerung qua steuerrechtlicher Definition für ab dem 1. Januar ausgeführte Leistungen nicht mehr genutzt werden. Das erfordert keinen Widerruf der Ist-Besteuerung durch den Fiskus – die Bewilligung endet automatisch und es gilt die Soll-Besteuerung. Für Unternehmerinnen und Unternehmer mit mehreren Einzelbetrieben oder selbstständigen Tätigkeiten lohnt es sich, mit der Steuerkanzlei zu sprechen. Dabei sollte es nicht nur generell um Ist- und Soll-Versteuerung gehen. Sie sollten darüber hinaus auch prüfen, welchen praktischen Unterschied eine gegebenenfalls auch nur begrenzt auf einzelne Betriebe erteilte Erlaubnis machen würde. Einheitlich veranlagt sind mehrere Betriebe eines Unternehmers nämlich ausschließlich bei der Umsatzsteuer. Die Gewinnermittlung wird gesondert für jede eigenständige selbstständige Tätigkeit fällig. Und laut §20 UStG ist eine Befreiung auch für einzelne Betriebe eines Unternehmers oder einer Unternehmerin möglich – dann aber eben auf diese beschränkt. Das gilt beispielsweise für Freiberufler und Freiberufler, die auch gewerbliche Einkünfte erzielen.

Die Steuerfachleute kennen die Regeln für eine teilweise Soll- und Ist-Versteuerung. Bei ihnen bekommen Firmenchefs und -chefinnen die Angelegenheit einfach erklärt. Und bei Bedarf auch Hilfe. Schwierig könnte es mit der Bewilligung eines Antrags auf Ist-Besteuerung statt Soll-Besteuerung etwa für Gründerinnen und Gründer werden, die bilanzieren und gleich zu Beginn gute Umsätze erzielen. Bei ihnen rechnet das Finanzamt den Vorjahresumsatz ab Gründungszeitpunkt auf zwölf Monate hoch und lehnt den Antrag ab, wenn die Umsätze auf zwölf Monate gesehen die Grenze übersteigen würden.

Was, wenn das Finanzamt die Ist-Versteuerung ablehnt?

Es kommt vor, dass das Finanzamt den Antrag auf Ist-Versteuerung ablehnt. Verwehrt es die Ist-Besteuerung aufgrund qua gesetzlicher Definition nicht erfüllter Voraussetzungen, führt kein Weg um die Soll-Besteuerung herum. Doch das Finanzamt darf eine beantragte Ist-Versteuerung statt Soll-Versteuerung bei der Umsatzsteuer auch noch aus anderen Gründen ablehnen. Beispielsweise weil es den Steueranspruch gefährdet sieht. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten mit der Steuerberatungskanzlei aber jede Ablehnung kritisch hinterfragen. Unter Umständen kann sich ein Einspruch lohnen. Der Verweis auf eine mögliche Missbrauchsgefahr oder darauf, dass ohnehin Buchführungspflicht besteht, ist ein Ermessensfehler, so das Finanzgericht Sachsen (Az.:6K1768/11). In jedem Fall sinnvoll ist es allerdings, auf die Liquidität zu achten – und Forderungen zügig einzutreiben sowie gegebenenfalls sinnvoll vorzufinanzieren. Darüber sollten Unternehmerinnen und Unternehmer ruhig auch gleich mit den Steuerfachleuten sprechen.

Das Video zeigt, wie ein sinnvolles Forderungsmanagement aussieht.

Der EuGH hebelt die Soll-Versteuerung punktuell aus

Einen großen Unterschied macht die Wahlmöglichkeit zwischen der Soll- und der Ist-Versteuerung bei der Liquidität. Wer wegen der gesetzlichen Definition der Voraussetzungen dafür nach derzeitiger Rechtslage keine Ist-Besteuerung vom Finanzamt erlaubt bekommt, leidet durch die dann geltende Soll-Besteuerung unter einer immensen Belastung. Das hat vor Jahren auch der Bundesfinanzhof (BFH) anerkannt. Zur Soll-Besteuerung verpflichtete Unternehmen finanzieren die Umsatzsteuer vor. Das oberste deutsche Finanzgericht bezweifelte 2017 in gleich zwei Fällen, ob das nach EU-Rechtslage in Ordnung geht. Auf die BFH-Vorlage hin hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) geprüft, ob diese Besteuerungspraxis mit den EU-Vorgaben für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vereinbar ist. Zumindest für den Fall von Ratenzahlungsgeschäften hat der EuGH dies verworfen (Az.:C548/17).

Denkbar wäre eine Quasi-Ist-Versteuerung bei Ratenzahlung

Der Soll-Versteuerung unterliegende Unternehmerinnen und Unternehmer können es nach dem EuGH-Urteil künftig vermeiden, die Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der (ersten) Leistungserbringung auf einen Schlag dem Finanzamt überweisen zu müssen. Unter bestimmten Voraussetzungen müssen sie die Umsatzsteuer bei Ratenzahlungsgeschäften nicht mehr vorfinanzieren, so der Europäische Gerichtshof. Damit legte er hierfür eine Quasi-Ist-Versteuerung fest. Zwar ging es im vom EuGH verhandelten Fall um Ratenzahlungen für die Vermittlung von Profifußballern. Doch die juristische Auslegung betrifft generell die Artikel 63 und 90 der EU-Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten mit der Steuerberatungskanzlei erörtern, inwiefern das EuGH-Urteil für ihre Geschäfte relevant ist – ob sie also aufgrund des Urteils trotz einer für sie prinzipiell geltenden Soll-Versteuerung für manche Geschäfte faktisch die Ist-Versteuerung geltend machen können.

HÖRBAR STEUERN – Der DATEV-PODCAST
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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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