Mitarbeiter & Ausbildung

Überstunden auszahlen: Was das Ar­beits­recht sagt

Laut Ar­beits­recht müs­sen Fir­men an­ge­ord­ne­te Über­stun­den aus­zah­len, was für Be­schäf­tig­te nicht steuer­frei ist, oder mit Frei­zeit aus­glei­chen. Was beim The­ma Mehr­ar­beit gilt, re­gel der Ar­beits- oder Ta­rif­ver­trag. Streit ver­mei­den nur ein­ver­nehm­li­che Lö­sun­gen.

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Viele Beschäftigte arbeiten länger als vertraglich vereinbart. In manchen Branchen sind Überstunden sogar an der Tagesordnung. Laut Arbeitsrecht müssen Unternehmen die angeordneten Überstunden auszahlen – was nicht steuerfrei möglich ist – oder für die Mehrarbeit einen Freizeitausgleich gewähren. Über 40 Überstunden leisten deutsche Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen durchschnittlich pro Jahr. Weniger als die Hälfte davon lassen sie sich tatsächlich auszahlen. Der Grund: Unternehmen und Beschäftigte nutzen verstärkt Arbeitszeitkonten, um flexibel zu bleiben. Wer Überstunden ansammelt, darf diese später abbummeln. Ist das aus betrieblichen Gründen nicht möglich, müssen Firmen angeordnete Überstunden auszahlen – notfalls auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers. Denn ein Freizeitausgleich steht dem Personal nicht grundsätzlich zu: Er ist nur möglich, wenn der Betrieb zustimmt. Oft regelt der Arbeits- oder Tarifvertrag, wie viele Überstunden erlaubt sind und wann Firmen sie bezahlen. Aber auch ohne Vereinbarung müssen Unternehmen angeordnete Überstunden meistens vergüten. Das Arbeitsrecht schreibt dies vor, wenn eine Vergütung branchenüblich oder zu erwarten ist.

Um Enttäuschung bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu vermeiden, sollten Vorgesetzte erläutern, wie sich der Abzug von Steuern und Sozialabgaben auswirkt. Denn im Unterschied zu Sonntags- oder Feiertagszuschlägen lassen sich Überstunden nicht steuerfrei auszahlen. Es handelt sich um regulären steuerpflichtigen Lohn. Wer mehr verdient, hat somit auch mehr Abzüge.

Überstunden auszahlen oder abfeiern? Der Vertrag entscheidet

Überstunden sind nicht pauschal mit dem Gehalt abgegolten

Freiwillige Überstunden werden nicht bezahlt

Welcher Stundensatz gilt, wenn Firmen Überstunden auszahlen

Wenig netto: Überstunden auszahlen ist nicht steuerfrei

Bei einer Kündigung drohen Betrieben hohe Nachzahlungen

Überstunden auszahlen oder abfeiern? Der Ver­trag entschei­det

Ob Unternehmen geleistete Überstunden auszahlen oder Beschäftigte diese abbummeln dürfen, ist im Arbeitsrecht nicht generell festgelegt. Betriebe treffen im Arbeits- oder Tarifvertrag individuelle oder branchenspezifische Regelungen. Gibt es einen Betriebsrat, hat er bei Arbeitszeiten und Überstunden ein Mitspracherecht. In Betriebsvereinbarungen lässt sich festlegen, wann Vorgesetzte überhaupt Überstunden anordnen dürfen, ob Firmen diese auszahlen oder einen Freizeitausgleich gewähren. Sagen die Verträge nichts dazu, sind Beschäftigte nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten, sagt das Arbeitsrecht. Nur in Notsituationen – etwa bei hohem Krankenstand – dürfen Unternehmen verlangen, dass jemand vorübergehend länger arbeitet. Dafür steht Beschäftigten ein Ausgleich zu: Freizeit oder Geld. Ist ein Abbummeln unmöglich, sollten Unternehmen die Überstunden auszahlen – gegebenenfalls auch ohne Zustimmung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich besteht nämlich nicht, auf Bezahlung hingegen schon. Wer keine Führungsposition bekleidet und nicht über der Beitragsbemessungsgrenze verdient, darf laut Arbeitsrecht eine Vergütung für angeordnete Überstunden erwarten – das Auszahlen ist aber nicht steuerfrei. 

Überstunden sind nicht pau­schal mit dem Ge­halt ab­ge­gol­ten

Manche Arbeitsverträge regeln das Thema Überstunden zugunsten der Unternehmen, die möglichst keine Überstunden auszahlen wollen. Doch Klauseln, die generell das Ableisten von Überstunden ohne Bezahlung festlegen, sind im Arbeitsrecht ungültig. Die Formulierung „Erforderliche Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ hat vor Gericht keinen Bestand. Im Vertrag muss deutlich stehen, wann und in welcher Höhe unbezahlte Überstunden zu leisten sind – laut Arbeitsrecht sind sie auf ein übliches Maß zu begrenzen, etwa drei Stunden pro Woche. Für weitere Mehrarbeit gibt es freie Tage, oder die Firma muss die Überstunden auszahlen, was jedoch nicht steuerfrei bleibt. Beschäftigte ziehen deshalb häufig den Freizeitausgleich vor. Unternehmen können dies aber auch ablehnen. Fehlt ihnen Personal, dürfen sie Überstunden auch ohne Zustimmung des betreffenden Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin auszahlen. Sieht der Tarifvertrag vor, Mehrarbeit finanziell zu entlohnen, steht Beschäftigten die branchenübliche Vergütung zu. Selbst Betriebe ohne Tarifbindung müssen dann gemäß den Bestimmungen im Arbeitsrecht die Überstunden bezahlen.

Arbeitsrecht: Freiwillige Überstunden werden nicht bezahlt

Im Regelfall dürfen Angestellte also eine gesonderte Vergütung geleisteter Überstunden erwarten. Das Arbeitsrecht sieht vor, dass Unternehmen die Überstunden auszahlenoder mit Freizeit ausgleichen müssen, wenn sie diese

  • angeordnet,
  • gebilligt oder
  • geduldet haben, beziehungsweise
  • diese notwendig waren, um das Arbeitspensum zu schaffen.

Ist kein Abfeiern möglich, sollten Unternehmen solche Überstunden grundsätzlich auszahlen – notfalls ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, der das Geld lieber steuerfrei kassieren würde. Ist eine Bezahlung vertraglich vereinbart, können sich Betriebe nicht davor drücken, indem sie Beschäftigte als Überstundenausgleich früher nach Hause schicken. Weisen Vorgesetzte die Mehrarbeit an oder nehmen sie in Kauf, um einen Großauftrag zu stemmen, müssen Unternehmen diese Überstunden auszahlen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Beschäftigte dürfen Überstunden nicht ohne Absprache mit Arbeitgeber oder Arbeitgeberin ansammeln und dafür eine Bezahlung verlangen. Wer freiwillig länger arbeitet, hat keinen Vergütungsanspruch. Unternehmen müssen laut Arbeitsrecht solche Überstunden nicht auszahlen und auch keinen Freizeitausgleich gewähren. Gutverdienende Führungskräfte sowie Unternehmer oder Unternehmerinnen dürfen sich keine Überstunden auszahlen lassen, selbst wenn sie nachweislich länger arbeiten mussten. Sie werden nach Leistung bezahlt, nicht nach Arbeitszeit. Kassieren GmbH-Geschäftsführer eine Überstundenvergütung oder Zuschläge für Sonntags-, Nachts- beziehungsweise Feiertagsarbeit, wertet das Finanzamt dies als eine verdeckte Gewinnausschüttung.

Wel­cher Stun­den­satz gilt, wenn Firmen Überstunden auszahlen

Ist vertraglich nichts anderes vereinbart, müssen Betriebe gemäß dem Arbeitsrecht für Überstunden genauso viel Geld auszahlen wie für reguläre Arbeitsstunden. Auf Basis des Monatslohns berechnet der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin den Stundensatz. Sehen Arbeits- oder Tarifvertrag einen Überstundenzuschlag vor, ist auch dieser fällig. In manchen Branchen gibt es zusätzlich zwischen 15 und 40 Prozent des normalen Stundenlohns. Auch Teilzeitbeschäftigten müssen Betriebe mit den Überstunden den vertraglich vereinbarten Aufschlag auszahlen – so schreibt es das Arbeitsrecht vor. Einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlags gibt es allerdings nicht. Überstunden auszahlen können Unternehmen nur, wenn ein entsprechender Nachweis vorliegt. Eine genaue Erfassung der Arbeitszeiten –  elektronisch oder per App –  sollte spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Unternehmen selbstverständlich sein. Gerade in Zeiten von Homeoffice ist die Dokumentation der geleisteten Arbeitszeit wichtig, um den Überblick zu behalten. Sollen Unternehmen aufgelaufene Überstundenauszahlen, sind zudem vereinbarte Ausschlussfristen zu beachten. Das heißt:

  • Machen Beschäftigte Überstunden nicht rechtzeitig geltend, verfallen sie.
  • In Arbeitsverträgen sind deshalb nur Ausschlussfristen von mindestens drei Monaten erlaubt.
  • Kürzere Fristen können lediglich in Tarifverträgen zulässig sein.

Wurde Vertrauensarbeitszeit vereinbart, sollten Vorgesetzte darauf achten, dass nicht zu viele Überstunden auflaufen. Angestellte müssen diese dokumentieren und abzeichnen lassen, damit der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Überstunden auszahlt. Allein die Aufzeichnungen der Beschäftigten reichen in der Regel nicht aus. Das Thema gehört zudem regelmäßig auf die Tagesordnung von Mitarbeitergesprächen. Dies gilt besonders, wenn jemand sich Überstunden nicht auszahlen lassen will, weil dies nicht steuerfrei bleibt. Angebote zum Freizeitausgleich oder steuerfreie Gehaltsextras kommen besser an, als wenn Unternehmen Überstunden ohne Zustimmung des Arbeitnehmers auszahlen. 

Wenig netto: Überstunden auszahlen ist nicht steuerfrei

Wer sich Überstunden auszahlen lässt, muss wissen: Dies bleibt nie steuerfrei. Es handelt sich um regulären Arbeitslohn, auf den Steuern und Sozialabgaben anfallen. Ausnahmen macht der Gesetzgeber nur bei Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit – unabhängig davon, ob Betriebe diese zusammen mit Überstunden auszahlen: Sie bleiben teilweise steuerfrei. Beschäftigte sind oft geschockt, wenn sie ihre Lohnabrechnung studieren. Lassen sie sich viele Überstunden auszahlen, steigt die Steuerlast deutlich. Netto bleibt weniger übrig als erwartet. Um Frust zu vermeiden, sollten Firmen daher möglichst keine Überstunden ohne Zustimmung des Arbeitnehmers auszahlen – auch wenn das Arbeitsrecht dies erlaubt. Günstiger ist es, Überstunden zeitnah auszuzahlen – etwa mit dem nächsten Monatslohn. Kommt das Geld in einer Summe, weil Beschäftigte das Unternehmen verlassen, greift die sogenannte Fünftel-Regelung. Ist im Aufhebungsvertrag vereinbart, dass aufgelaufene Überstunden auszuzahlen sind, lässt sich – wie bei einer Abfindung – der ermäßigte Steuersatz anwenden (3K1007/18E). Steuerberater oder Steuerberaterin beantworten Fragen und berechnen die jeweilige Steuerlast.

Bei einer Kündigung drohen Betrieben hohe Nachzahlungen

Herrscht ein gutes Betriebsklima, lässt sich das Thema Überstunden auszahlen meistens einvernehmlich regeln. Idealerweise erfassen elektronische Systeme die Arbeitszeiten und bilden so eine objektive Abrechnungsgrundlage. Nach Absprache können die Beschäftigten ihre Überstunden natürlich auch aufschreiben, und Arbeitgeber oder Arbeitgeberin zeichnen sie wöchentlich ab. Lassen Beschäftigte sich Überstunden regelmäßig auszahlen, ist das zwar nicht steuerfrei. Aber immer noch steuerlich günstiger, als wenn viele Plusstunden auf einmal vergütet werden. Schnell zum Streit kommt es jedoch, wenn ständig Überstunden anfallen und Beschäftigte kündigen. Spätestens beim Ausscheiden eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin müssen Unternehmen gemäß den Bestimmungen im Arbeitsrecht angeordnete oder geduldete Überstunden auszahlen. Wurde in Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes vereinbart, verjährt der Anspruch, sich Überstunden auszahlen zu lassen, erst nach drei Jahren. Eine gütliche Einigung ist immer zu empfehlen, denn Gerichte entscheiden solche Fälle meist zugunsten der Beschäftigten. Haben diese unverhältnismäßig viele unbezahlte Überstunden bei schlechter Entlohnung geleistet, drohen hohe Nachzahlungen.

Eine gute Dokumentation und klare Regelungen helfen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Manche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wollen Überstunden zudem lieber abfeiern, als sich diese auszahlen zu lassen. Das ist Verhandlungssache. Wer den Betrieb früher verlassen will, den sollten Arbeitgeber im Gegenzug für die vorzeitige Freistellung eine Ausgleichsquittung unterschreiben lassen. Damit verzichten scheidende Beschäftigte auf weitere Ansprüche. Das gleiche gilt, wenn sich die Parteien auf eine Abfindung oder das Auszahlen der Überstunden einigen.

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Sigrun an der Heiden

ist selbstständige Wirtschaftsredakteurin. Die vermeintlich trockenen Themen wie Steuern, Finanzen und Recht sind ihr Steckenpferd. Sie schreibt für verschiedene Wirtschafts- und Unternehmermagazine sowie Kundenzeitschriften zu den Themen Mittelstand, Steuern und Finanzen, Recht, Nachfolge, Sanierung, Unternehmensführung, Personal, Betriebliche Altersvorsorge sowie Transport und Logistik. Zuvor arbeitete sie als Ressortleiterin bei diversen Unternehmermagazinen, unter anderem „Markt und Mittelstand“.

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