Organisation & Management

Das Arbeitszeitkonto ist auch etwas für klei­ne Betriebe

Über­stun­den für den Ur­laub an­spa­ren, Gleit­zeit or­ga­ni­sie­ren, Win­ter­ar­beits­lo­sig­keit ab­fe­dern – das Ar­beits­zeit­kon­to ist für vie­le Zwecke gut. Der Ein­satz soll­te aber sorg­fäl­tig mit dem Steu­er­be­ra­ter und mit dem An­walt be­spro­chen wer­den, um Feh­ler zu ver­mei­den.

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Irgendwie klingt das Thema Arbeitszeiterfassung angesichts der fortschreitenden Digitalisierung angestaubt. Die Stechuhr erinnert viele an eine weit zurückliegende Ära der Industrialisierung. Doch der Europäische Gerichtshof (EuGH) macht sie mit einem Urteil für Unternehmen praktisch zur Pflicht. Auf Basis der europäischen Arbeitszeitrichtlinie müssten deutsche Betriebe die tägliche Arbeitszeit aller Beschäftigten aufzeichnen. Und nicht mehr nur nach dem deutschen Arbeitszeitrecht zumindest die Überstunden. Bereits das Mindestlohngesetz verpflichtet zur Dokumentation von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit – außer, der Mitarbeiter verdient brutto mehr als 2.958 Euro oder 2.000 Euro verstetigt im Schnitt. Daher stellt sich die Frage: Warum nicht gleich die Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto für jeden Mitarbeiter – vom Minijob bis zur Führungsposition? Über den Umgang mit Plus- und Minusstunden sowie dem Urlaub oder auch einer späteren Kündigung sollten Unternehmer rund um das Arbeitszeitkonto mit ihrem Anwalt sprechen. Steuer, Lohnbuchführung oder die Absicherung vom Arbeitszeitkonto sollten sie mit dem Steuerberater klären.

Was ist ein Arbeitszeitkonto? Eine Definition

Jeder kennt ein Giro- oder Sparkonto – und weiß, wo man es wie eröffnet. Wo das Arbeitszeitkonto geführt wird und was das ist, darüber herrscht hingegen viel weniger Klarheit. Dabei ist der Begriff allgegenwärtig. Der Begriff Arbeitszeitkonto steht oft für ein Gleitzeitkonto. Oder für ein betrieblich gesteuertes Zeitkonto, mit dem sich der Arbeitszeitverbrauch an die jeweilige Auftragslage angepasst lässt. Und mitunter sind damit auch Ansparkonten im Rahmen einer Altersteilzeitregelung gemeint. Allen Arbeitszeitkontenmodellen gemeinsam ist, dass auf ihnen die tatsächlich geleistete Arbeitszeit des Arbeitnehmers festgehalten wird. Entweder per klassischer Stechuhr, auf Papier oder auch über eine betriebliche App. Arbeitet jemand mehr oder weniger als arbeits- oder tarifvertraglich vereinbart, laufen Plusstunden oder Minusstunden auf. Diese Arten von Arbeitszeitkonto gibt es:

  • Kurzzeitkonto/Jahresarbeitszeitkonto: Diese Art Arbeitszeitkonto dient der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit durch den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin. Es lässt sich als Gleitzeit-, Überstunden- oder Jahresarbeitszeitkonto einsetzen. Und es kann dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen dienen. Üblicherweise müssen Beschäftigte innerhalb eines festgelegten Zeitraums die Plusstunden oder Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto ausgleichen.
  • Langzeitkonto/Lebensarbeitszeitkonto: Dieses Konto bewahrt ein langfristiges Wertguthaben für den Mitarbeiter auf. Der oder die Beschäftigte sammelt auf diesem Arbeitszeitkonto also Plusstunden zu einem bestimmten Zweck – etwa für einen längeren Urlaub, ein Sabbatical oder auch den vorzeitigen Ausstieg aus dem Job.

Gesetzliche Regelung für das Arbeitszeitkonto

Die Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto können Unternehmerinnen und Unternehmen über den Arbeitsvertrag mit ihren Beschäftigten abschließen. Als vertragliche Grundlage können aber auch eine Betriebsvereinbarung oder tarifliche Bestimmungen dienen. Gesetzliche Basis und Rahmen für individuelle Regelungen sind bei einem Arbeitszeitkonto das Mindestlohngesetz (MiLoG) und das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Ihre Grenzen dürfen Vereinbarungen nicht übertreten. So dürfen für Arbeitnehmer, die den Mindestlohn erhalten, nach §2 Abs.2 Satz 3 MiLoG nicht mehr als 50 Prozent der vertraglich geregelten Arbeitszeit monatlich als Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto landen. Weitere Stunden sind am letzten Bankarbeitstag des jeweiligen Monats zu vergüten. Arbeitgeber müssen auch die Zeiten für Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als vergütungspflichtige Arbeitszeit einstufen. Mit Blick auf das Arbeitszeitgesetz darf eine Verteilung der tarif- oder arbeitsvertraglichen Arbeitszeit nicht zur Überschreitung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben zur werktäglichen maximalen Arbeitszeit im einzuhaltenden Ausgleichszeitraum führen. Hieraus ergeben sich Höchstgrenzen für Plusstunden, die der Beschäftigte maximal ansammeln darf.

Wichtige Informationen zum Mindestlohn liefert auch dieses Video.

Kleine Betriebe profitieren ebenfalls von diesem Instrument

Das Arbeitszeitkonto ist zeitgemäßer denn je. Ein wichtiger Grund sind die längst nicht mehr nur in großen Betrieben gewährten flexiblen Arbeitszeiten. Wer über Altersteilzeitregelungen vorarbeitet oder auch einfach Stunden für einen Urlaub ansparen will, findet im Arbeitszeitkonto die Lösung. Immerhin jeder zweite Arbeitnehmer hat bereits ein Arbeitszeitkonto. Dies ergab 2018 eine weiterhin aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Demnach stieg der Anteil der Beschäftigten mit Arbeitszeitkonto seit 1999 um 21 Prozentpunkte auf 56 Prozent. Jeder dritte Betrieb bietet seinen Mitarbeitern ein Arbeitszeitkonto an. Wo immer dies der Fall ist, nutzen 85 bis 92 Prozent der Mitarbeiter dies Angebot. Der höchste Anteil findet sich laut IAB-Studie gerade in kleinen Betrieben mit bis zu neun Beschäftigten. Von denen offeriert aber nur jeder vierte Betrieb ein Arbeitszeitkonto, während es bei Unternehmen mit zehn bis 49 Beschäftigten 53 und bei Betrieben mit mehr als 250 Beschäftigten 81 Prozent der Unternehmen sind.

Das Arbeitszeitkonto hat mehr Vor- als Nachteile

Für die Beschäftigten hat ein Arbeitszeitkonto praktisch nur Vor- und kaum Nachteile. In der Regel dient es als Kurzzeitkonto dem Ausgleich von Überstunden, ergab die IAB-Studie. Die Mitarbeiter nutzen die Spielräume, um die Vereinbarkeit von Berufsleben und Privatleben zu verbessern. Eine höhere Zufriedenheit der Beschäftigten ist natürlich auch für die Unternehmen von Vorteil. Als Arbeitgeber können sie dank besserer Work-Life-Balance für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leichter Fachkräfte für sich gewinnen und halten. Auch die Flexibilität im Betrieb steigt. Plus- oder Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto müssen Mitarbeiter dem IAB zufolge in vier von zehn Unternehmen laut Vereinbarung binnen eines oder eines halben Jahres ausgleichen. Unternehmen haben praktisch nur einen Nachteil: den Verwaltungsaufwand. In Absprache mit ihrem Steuerberater bekommen sie den aber in den Griff. Gerade die Zeiterfassung lässt sich auch gut automatisieren.

Arbeitszeitkonto ist auch etwas für Bau oder Minijobber

Das Thema Arbeitszeitkonto ist kein Luxusthema für Betriebe mit Gleitzeit, Homeoffice, Sabbaticals und sonstigem vermeintlich modernem Schnickschnack. Es ist auch für Unternehmen in Branchen mit Problemen fernab von Balance-Fragen interessant. So können Bauunternehmer mit Arbeitszeitkonten beispielsweise auch Probleme wie etwa die Winterarbeitslosigkeit ihrer Mitarbeiter besser auffangen. Die Sozialkasse Soka Bau weist auf diese Möglichkeit als Alternative zur winterbedingten Entlassung hin. Selbst für Führungskräfte oder auch Minijobber lässt sich bei Bedarf ein Arbeitszeitkonto führen. Nur nicht für den Geschäftsführer selbst – so gut auch für ihn der Ausgleich von Überstunden und dem Abbau psychischer Überlastungen wäre. Zwar können Geschäftsführer für sich selbst ein Arbeitszeitkonto zum Ausgleich anlegen und die hierfür nötigen Rückstellungen bilden. Das Finanzamt unterstellt ihnen dann jedoch gerne eine verdeckte Gewinnausschüttung. Zurecht, wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits urteilte (Az.IR26/15).

Vor dem Arbeitszeitkonto kommt die Frage der Überstunden

Bevor Unternehmer die Vereinbarung über das Arbeitszeitkonto mit ihren Beschäftigten schließen, müssen sie grundsätzlich festlegen, was als Überstunde einzustufen ist. Und auch, in welcher Form sie diese anordnen oder vergüten wollen. Gut zu wissen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Arbeitszeitkonto können dem Arbeitgeber nicht einfach Plusstunden aufdrücken, urteilte das Bundesarbeitsgericht (Az.:5AZR767/13). Mit dem Anwalt sollten Unternehmer ausführlich verschiedene Aspekte besprechen. Nötig sind klare und vor allem eindeutige Vorgaben schon im Arbeitsvertrag, um Arbeitsstunden rechtssicher notieren zu können. Dabei ist egal, ob ein Stundenzettel oder eine App zum Einsatz kommt. Das hilft Unternehmern auch, etwa bei Auseinandersetzungen nach einer Kündigung, um noch nicht entgoltene Stunden und deren Aufzeichnung zu vermeiden. Mit dem Steuerberater klären sollten sie, ob und wie sie Stunden in Folgejahre schieben oder mit Minusstunden umgehen können. Unabhängig vom Arbeitszeitkonto wirft die Arbeitszeit also so schon genug steuerlich und rechtliche Fragen auf. Und insbesondere in Ausnahmesituationen wie der Kurzarbeit.

Das gilt für ein Arbeitszeitkonto in der Kurzarbeit

Regulär gilt: Von Beschäftigten mit Arbeitszeitkonto verlangt die Arbeitsagentur bei Kurzarbeit gegebenenfalls, ihre Arbeitszeitguthaben zur Überbrückung der Flaute zu nutzen. Dabei gibt es – wenn es um Kurzarbeit geht – einen Unterschied zwischen vertraglich vereinbarten Arbeitszeitguthaben und einfachen Überstunden. Nicht zur Überbrückung einer Flaute sind Arbeitszeitguthaben zu verwenden, wenn sie vertraglich ausschließlich

  • zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (§101 Absatz 1) bestimmt sind und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigen,
  • für die im vierten Sozialgesetzbuch festgelegte Zwecke wie etwa Pflege- und Familienzeit bestimmt sind, oder
  • zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden sind und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigen.

Auch wenn das Arbeitszeitguthaben mehr als zehn Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit umfasst oder länger als ein Jahr unverändert bestanden hat, ist es tabu. Wegen der Corona-Krise gilt eine Neuregelung. Zumindest bis zum Jahresende 2020 dürfen Unternehmen darauf verzichten, dass Arbeitnehmer auf ihrem Arbeitszeitkonto auch Minusstunden aufbauen. Urlaub müssen Beschäftigte bis Jahresende ebenfalls nicht nehmen, um Kurzarbeit zu vermeiden.

Ein Langfrist-Arbeitszeitkonto muss insolvenzfest sein

Das Arbeitszeitkonto ist weit verbreitet – Langzeitkonten sind eher selten. Ihr Anteil stagniert seit Jahren bei zwei Prozent. Dabei scheinen Langzeitkonten beliebt: Bieten Arbeitgeber sie an, nutzen dies 76 Prozent der Arbeitnehmer, ergab die IAB-Studie. Der Umgang mit den per Lebensarbeitszeitkonto angesparten Plusstunden ist aber eine durchaus ernste Angelegenheit. Arbeitgeber müssen hier nicht nur für mögliche Arbeitgeberwechsel vorsorgen. Auch die Insolvenzsicherung ist Pflicht. Im Insolvenzfall gewährt das Insolvenzgeld nur Ersatz für Lohnansprüche der vergangenen drei Monate. Das vierte Sozialgesetzbuch verpflichtet Arbeitgeber daher, darüber hinausgehende Zeitguthaben ihrer Beschäftigten auf Arbeitszeitkonten gegen Insolvenz abzusichern. Und sie müssen dafür insolvenzfeste Rücklagen bilden. Zur Absicherung verpflichtet sind Arbeitgeber spätestens nach 27 Monaten Laufzeit des Zeitguthabens oder sobald es einen bestimmten Wert erreicht, informiert das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Experten empfehlen: ab 150 vorgearbeiteten Stunden. Unternehmer sollten ausführlich mit ihrem Anwalt sprechen. Eventuelle gesetzliche und tarifliche Vorgaben haben wie stets Vorrang vor individuellen Vereinbarungen.

So sichern Unternehmer die Arbeitszeitkonten ab

Das Arbeitszeitkonto zu sichern, dafür haben Unternehmen neben der nicht insolvenzsicheren Möglichkeit eines Sperrkontos drei Möglichkeiten:

  • Anlagemodell. Hierbei lagern sie liquide Mittel in verschiedene Geld- oder Vermögensanlagen aus. Vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters sichert diese Mittel eine Verpfändungsvereinbarung oder doppelseitige Treuhandvereinbarung.
  • (Bank-)Bürgschaft. Ein Kredit- oder Versicherungsunternehmen übernimmt eine Bürgschaft in Höhe der abzusichernden Zeitguthaben gegen Gebühr (Avalprovision).
  • Kautionsversicherung. Ein Versicherungsunternehmen übernimmt eine Bürgschaft in Höhe der abzusichernden Wertguthaben. Ein Teil der zu erwartenden Wertguthaben ist als Kaution bei der Versicherung zu hinterlegen. Das Unternehmen zahlt eine Versicherungsprämie.
  • Verpfändung von Unternehmenswerten. Mit dem Anwalt sollten Unternehmer über Rechtssicherheit und vertragliche Details der Absicherung sprechen und mit dem Steuerberater über steuerliche Gestaltung.

Was die Zeiterfassung auch fürs Arbeitszeitkonto betrifft: Hier geht alles – von der App über den Stundenzettel bis zur guten alten Stechuhr an der Wand.

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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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