Arbeitsrecht & Soziales

Betriebsrat gründen: Keine Pflicht, an Voraus­set­zungen gebunden

Mit­ar­bei­ter dür­fen un­ter be­stim­mten Voraus­set­zungen ei­nen Be­triebs­rat grün­den. Der Fir­men­chef ist dann in der Pflicht, dies zu­zu­las­sen. Da­von aus­ge­nom­men sind Klein­be­trie­be: Ei­ne Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung ist erst in Be­trie­ben mit min­des­tens fünf Mit­ar­bei­tern vor­ge­sehen.

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In Konzernen ist er eine feste Instanz, in kleinen Betrieben eher die Ausnahme als die Regel: der Betriebsrat. Lediglich sechs Prozent der Firmen in Deutschland mit bis zu 50 Mitarbeitern haben eine gewählte Arbeitnehmervertretung. Dort arbeiten aber auch nur neun Prozent der Beschäftigten. Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen: Je größer die Belegschaft, desto höher ist die Bereitschaft, einen Betriebsrat zu gründen – Pflicht ist er aber nicht. Weil die Initiative von den Mitarbeitern ausgehen muss, ist die betriebliche Mitbestimmung in Kleinbetrieben wenig verbreitet. Im Gegensatz dazu besitzen hierzulande 44 Prozent der Firmen mit über 50 Mitarbeitern einen Betriebsrat. Dort arbeiten knapp zwei Drittel der Beschäftigten. Bei Großunternehmen sind die Zahlen noch eindeutiger: 86 Prozent der Betriebe mit über 500 Angestellten haben eine Arbeitnehmervertretung. Wichtig für Mittelständler: Beschäftigte dürfen jederzeit einen Betriebsrat gründen – die gesetzlichen Voraussetzungen sind mit fünf wahlberechtigten Mitarbeitern im Unternehmen erfüllt.

Dieses Jahr erhält das Thema Betriebsrat insgesamt noch mehr Beachtung als sonst. Zwischen dem 1. März und 31. Mai 2022 finden die nächsten turnusmäßigen Wahlen statt. Das könnte für viele Beschäftigte eine Zusatzmotivation sein, auch in ihrem Unternehmen einen Betriebsrat zu gründen. Dabei sind seit Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes im vergangenen Jahr einige Neuerungen zu beachten. Dazu gehört etwa ein auf 16 Jahre abgesenktes Wahlalter und ein besserer Kündigungsschutz für Personen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten. Auch der Wahlprozess selbst wurde vereinfacht. Das sollten alle wissen, die einen Betriebsrat gründen wollen – neben folgenden grundsätzlichen Spielregeln:

Kei­ne Pflicht für Chefs: Den Betriebsrat gründen Mit­ar­bei­ter

Einen Betriebsrat zu gründen, ist keine Pflicht. Der Arbeitgeber muss hier nicht aktiv werden. Er darf den Beschäftigten nur keine Steine in den Weg legen, falls diese eine Arbeitnehmervertretung wollen. Vorsätzlich die Betriebsratswahl zu verbieten oder zu behindern, gilt als Straftat. Laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Mitarbeiter das Recht auf einen Betriebsrat – mit oder ohne Gewerkschaft. Wollen sie einen Betriebsrat gründen, gibt es zunächst keine Voraussetzungen außer einer: Die Firma beschäftigt mindestens fünf volljährige Mitarbeiter, wovon drei ein halbes Jahr oder länger im Unternehmen sind. Der Chef hat sogar die Pflicht, die Betriebsratswahl zu unterstützen. Er muss notwendige Unterlagen aushändigen, Auskünfte geben, Büromaterial sowie Räume zur Verfügung stellen und die Kosten der Betriebsratswahl tragen. Dazu gehören etwa Schulungen für Mitglieder des Wahlvorstands. Firmenchefs können auch von der Wahl einer Arbeitnehmervertretung profitieren. Unternehmen mit Betriebsrat sind meistens produktiver, belegen Studien. Zudem ist die Personalfluktuation geringer als bei Betrieben ohne Arbeitnehmervertretung.

Betriebsrat gründen: Wie vie­le Mit­ar­bei­ter nö­tig sind

Das Betriebsverfassungsrecht gilt in der Privatwirtschaft. Danach dürfen die Beschäftigten – mit oder ohne Gewerkschaft – einen Betriebsrat gründen, sobald gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Das entscheidende Kriterium ist die Betriebsgröße. Doch wie viele Mitarbeiter sind nötig, um den Betriebsrat zu gründen? Die vorgeschriebene Anzahl an Mitarbeitern liegt bei mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern. Drei davon müssen wählbar sein. Konkret bedeutet dies: Wahlberechtigt sind Beschäftigte ab 16 Jahren. In so manchem Unternehmen dürfte sich dadurch die Größe des Betriebsrates und sein Beteiligungsrecht ausweiten. Für die Betriebsratswahl kandidieren darf, wer mindestens sechs Monate im Betrieb arbeitet und kein leitender Angestellter ist. Was viele Unternehmer übersehen: Bei dieser Berechnung zählt nicht nur der klassische Festangestellte im Vollzeitjob. Selbst die Belegschaft sehr kleiner Betriebe kann deshalb unter Umständen einen Betriebsrat gründen. Das BetrVG nennt die Voraussetzungen. Wahlberechtigt und wählbar sind auch:

  • Außendienstmitarbeiter, Tele- und Heimarbeiter, sofern sie überwiegend für den Betrieb tätig sind
  • Auszubildende dürfen ab 16 wählen, selbst wählbar sind sie aber wie bisher ab 18
  • Kranke oder beurlaubte Mitarbeiter
  • Minijobber und befristet Beschäftigte
  • Arbeitnehmer in Mutterschutz oder Erziehungszeit

Leiharbeiter, die länger als drei Monate im Unternehmen arbeiten, dürfen zwar nicht für den Betriebsrat kandidieren, aber ihre Stimme abgeben. Dies gilt auch für überlassene Mitarbeiter anderer Betriebe, sobald die Drei-Monats-Frist abgelaufen ist. Somit dürfte den Mitarbeitern in überraschend vielen Unternehmen das Recht zustehen, einen Betriebsrat zu gründen. Der Chef hat dann die Pflicht, ihre Initiative zu unterstützen. Von der Betriebsratswahl ausgeschlossen sind nur die leitenden Angestellten.

Die Grafik zeigt, dass in nicht einmal zehn Prozent der Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten die Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen – dabei erfülllen sie die Voraussetzungen dafür, und der Unternehmer hat die Pflicht, die Gründung zu dulden.

Voraussetzungen: Ab wann sich ein Betriebsrat wäh­len läs­st

Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre statt. 2018 wählten 28.000 Betriebe eine Arbeitnehmervertretung. Der nächste reguläre Urnengang steht im Frühjahr 2022 an. Scheidet ein Betriebsratsmitglied aus oder möchten die Beschäftigten erstmals einen Betriebsrat gründen, ist eine frühere Wahl möglich. Dies gilt auch, wenn die Anzahl der Mitarbeiter innerhalb von zwei Jahren nach einer Betriebsratswahl stark schwankt. Steigt oder sinkt die Belegschaftsgröße um 50 Prozent, ist es sogar Pflicht, den Betriebsrat neu zu wählen. Die Amtszeit ist in diesen Fällen meist verkürzt – bis zum nächsten regulären Wahltermin. Auch die Größe des Betriebsrats hängt davon ab, wie viele Mitarbeiter auf der Gehaltsliste stehen.

  • Hat das Unternehmen 5 bis 20 Mitarbeiter, besteht der Betriebsrat aus einer Person.
  • Sind im Unternehmen 21 bis 50 Mitarbeiter beschäftigt, hat der Betriebsrat drei Mitglieder.
  • Arbeiten im Unternehmen 51 bis 100 Mitarbeiter, sind fünf Betriebsräte zu wählen.
  • Hat das Unternehmen 101 bis 200 Mitarbeiter, besteht der Betriebsrat aus sieben Personen.
  • Sind im Unternehmen 201 bis 400 Mitarbeiter beschäftigt, hat der Betriebsrat neun Mitglieder.
  • Arbeiten im Unternehmen 401 bis 700 Mitarbeiter, sind elf Betriebsräte zu wählen.
  • Hat das Unternehmen 701 bis 1.000 Mitarbeiter, besteht der Betriebsrat aus 13 Personen.

Wahl­vor­be­rei­tung: Ei­nen Betriebsrat rich­tig gründen

Um einen Betriebsrat gründen zu können, sind auch einige organisatorische Voraussetzungen zu erfüllen. Die wichtigste Pflicht ist: Es muss einen Wahlvorstand geben. Eine Betriebsratswahl ist nur gültig, wenn ein Wahlvorstand sie leitet. Er organisiert die Wahl und stellt sicher, dass sie ohne starke Einflussnahme einer Gewerkschaft oder des Arbeitgebers abläuft. Schließlich soll der neu gegründete Betriebsrat unparteiisch sein. Der Wahlvorstand besteht in der Regel aus drei wahlberechtigten Mitarbeitern. Einer davon übernimmt den Vorsitz. Die Beschäftigten des Betriebs wählen den Wahlvorstand oder der amtierende Betriebsrat bestellt ihn. Folgende weitere Voraussetzungen beziehungsweise Vorgehensweisen gelten, um einen Betriebsrat zu gründen:

  • Gibt es noch keinen Betriebsrat, können drei wahlberechtigte Mitarbeiter oder eine Gewerkschaft eine Betriebsversammlung einberufen. Die Einladung zur Wahl des Wahlvorstands ist gut einsehbar im Unternehmen auszuhängen und von den Initiatoren zu unterschreiben.
  • Auf der Betriebsversammlung wählt die Belegschaft den Wahlvorstand mit einfacher Mehrheit. Dessen Mitglieder organisieren dann die Betriebsratswahl.
  • Besteht ein Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, darf dieser den Wahlvorstand bestellen.
  • Kommt es nicht zur Wahl oder Bestellung eines Wahlvorstands, kann auch das Amtsgericht das dreiköpfige Wahlgremium ins Amt bringen. Dazu müssen drei volljährige Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einen Antrag beim Gericht stellen.

Arbeitgeber haben die Pflicht, den Wahlvorstand organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Die Wahlorganisatoren dürfen sich auf Firmenkosten fortbilden lassen, um den Betriebsrat richtig gründen zu können. Bei entsprechenden Fachseminaren lernen sie, was bei einer Betriebsratswahl zu beachten ist. Das reicht vom Erstellen der Wählerlisten und der Stimmzettel bis hin zur Auszählung und Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Ar­beit­ge­ber-Pflicht: Mit dem Betriebsrat zu­sam­men­ar­bei­ten

Betriebsräte arbeiten für die Belegschaft. Sie verhandeln mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe und sind damit wesentlicher Teil der betrieblichen Mitbestimmung. Meistens gründen die Beschäftigten einen Betriebsrat, um beim Thema Einstellungen und Kündigungen mitreden zu können. Chefs haben nämlich die Pflicht, den Betriebsrat über alle Vorhaben zu informieren und anzuhören, die Arbeitnehmer betreffen. Die konkreten Mitbestimmungsrechte regelt das BetrVG. Bei folgenden Themen müssen Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten:

Chance nut­zen: Auch die Fir­ma pro­fi­tiert vom Betriebsrat

Wenn die Beschäftigten einen Betriebsrat gründen wollen, sollten Unternehmer nicht nur an ihre Kooperationspflicht denken. Auch ihr Unternehmen kann davon profitieren.  Unternehmer sollten die betriebliche Mitbestimmung durchaus als Chance sehen. Oft steigen nämlich Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität, wenn Betriebsrat und Arbeitgeber einvernehmliche Lösungen finden. Gewählte Arbeitnehmervertreter sind immer ehrenamtlich aktiv. Ein Extragehalt erhalten sie für die Tätigkeit nicht. Sie dürfen aber Aufgaben, die mit ihrer Tätigkeit als Betriebsrat zusammenhängen, während der Arbeitszeit erledigen. Großunternehmen ab 200 Mitarbeitern haben sogar die Pflicht, einen oder mehrere Mitglieder des Betriebsrats von der normalen Arbeit freizustellen (§38 BetrVG). Das Gehalt läuft regulär weiter. Selbst kleinere Firmen müssen Betriebsräte zwar für Weiterbildungen freistellen und die Kosten tragen, doch profitieren sie im Gegenzug auch. Statt auf Konfrontation sollten Unternehmer daher besser auf Kooperation setzen: Normalerweise überwiegen dann die Vorteile eines partnerschaftlichen Miteinanders.

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Sigrun an der Heiden

ist selbstständige Wirtschaftsredakteurin. Die vermeintlich trockenen Themen wie Steuern, Finanzen und Recht sind ihr Steckenpferd. Sie schreibt für verschiedene Wirtschafts- und Unternehmermagazine sowie Kundenzeitschriften zu den Themen Mittelstand, Steuern und Finanzen, Recht, Nachfolge, Sanierung, Unternehmensführung, Personal, Betriebliche Altersvorsorge sowie Transport und Logistik. Zuvor arbeitete sie als Ressortleiterin bei diversen Unternehmermagazinen, unter anderem „Markt und Mittelstand“.

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