Arbeitsrecht & Soziales

Flüchtlinge beschäftigen und so den Personalbedarf decken

Wer Asyl­be­wer­ber oder Flücht­lin­ge be­schäf­tigt oder ih­nen zu ei­ner Aus­bil­dung ver­hilft, in­ves­tiert in die Fach­kräf­te der Zu­kunft. Wich­tig ist al­ler­dings, die An­ge­bo­te der Ar­beits­agen­tur und an­de­rer Or­ga­ni­sa­tio­nen zu nut­zen und die An­stel­lung an­walt­lich abzusichern.

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Zwar sorgen die Folgen von Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und gestörten Lieferketten sowie steigenden Preisen für Unruhe in der Wirtschaft. Langfristig nervös macht viele Unternehmerinnen und Unternehmer jedoch insbesondere der zunehmende Personalmangel. Nicht nur Fachkräfte sind rar, wie aktuelle Schlagzeilen zeigen. Neben Spezialisten für digitale Technologien oder Monteuren für Solaranlagen und Wärmepumpen fehlt es an Personal für die Gepäckabfertigung oder Sicherheitskontrollen an Flughäfen. Deshalb spielt in Mitarbeitergesprächen die Motivation eine immer wichtigere Rolle, um Beschäftigte zu halten. In Bewerbungs- oder Gehaltsgesprächen finden verstärkt Zusatzleistungen wie der Dienstwagen, die betriebliche Altersvorsorge oder steuerfreie Extras eine Erwähnung. Und es ist naheliegend, dass zahlreiche Firmenchefs und -chefinnen sich inzwischen verstärkt für die Beschäftigung von Flüchtlingen oder Asylsuchenden interessieren. Gerade aus der Ukraine kommen derzeit viele potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit guter Qualifikation. Wer Ukrainer, Asylsuchende, Geflüchtete oder Geduldete anstellen will, sollte sich dabei allerdings anwaltlich beraten lassen. Denn es gibt viele rechtliche Feinheiten zu beachten.

Was unterscheidet Flüchtlingen, Asylbewerber und Geduldete?

Ausbildung im Ausland anerkennen lassen oder selbst ausbilden

Förderung für Aus- und Weiterbildung der Flüchtlinge nutzen

Angebote von Organisationen und Willkommenslotsen nutzen

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Die Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylbewerbern

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Was unterscheidet Flüchtlingen, Asylbewerber und Geduldete?

Wichtig ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer eindeutig den Aufenthaltsstatus einer Person klären, bevor sie ihr einen Job geben. Denn aus dem Aufenthaltsstatus ergibt sich, ob oder in welchem Umfang jemand überhaupt in Deutschland einer Arbeit nachgehen darf. Bei Personen, die als Flüchtlinge oder Asylsuchende gekommen sind, gilt es insbesondere vier Gruppen zu unterscheiden:

  • Asylberechtigte sind Menschen, deren Asylantrag die Behörden stattgegeben haben beziehungsweise die aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine Aufenthaltserlaubnis besitzen. Diese bekommen sie befristet für bis zu drei Jahre und können dann nach fünf Jahren eine Niederlassungserlaubnis erhalten.
  • Asylbewerber sind Menschen, bei denen die Entscheidung der Behörden über den Asylantrag noch aussteht. Ihre Aufenthaltsgestattung erlaubt es ihnen, sich während des Asylverfahrens legal im Bundesgebiet aufzuhalten.
  • Geduldete sind Menschen, deren Asylantrag die Behörden bereits abgelehnt haben. Sie können aber aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden.
  • Ukrainer haben einen Sonderstatus. Schon vor dem russischen Überfall durften sie mit einem biometrischen Pass visumsfrei innerhalb von 180 Tagen für 90 Tage nach Deutschland einreisen. Jetzt ist das allen gestattet, und der Aufenthalt kann sich um 90 Tage verlängern. Anschließend oder auch sofort können Flüchtlinge aus der Ukraine eine Aufenthaltserlaubnis nach §7 oder eine Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz nach §24 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) beantragen.

Den rechtlichen Status stets individuell klären lassen

Der rechtliche Status als asylberechtigt, asylsuchend, geduldet oder aus der Ukraine kommend setzt den Rahmen für die Möglichkeit, eine Beschäftigung aufzunehmen. Dabei gilt grundsätzlich Folgendes, was allerdings stets individuell zu überprüfen wäre:

  • Asylberechtigte haben uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und dürfen jede Beschäftigung aufnehmen.
  • Asylbewerber und Geduldete dürfen weder sofort noch uneingeschränkt arbeiten. Die Möglichkeit zu ihrer Beschäftigung ist an Fristen, eine Arbeitserlaubnis sowie eine Vorrangprüfung geknüpft. Generell gilt eine Wartefrist von drei Monaten, in denen die Arbeitsaufnahme gar nicht erlaubt ist. Asylbewerber müssen sich seit drei Monaten gestattet, Geduldete seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder gestattet in Deutschland aufhalten. Frühestens dann kann die Ausländerbehörde – nur mit einigen Ausnahmen ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) – eine Arbeitserlaubnis für eine konkrete Beschäftigung erteilen und dies im Aufenthaltstitel vermerken. Die BA dürfte meistens zustimmen, falls jemand nicht zu schlechteren Konditionen als vergleichbare deutsche Mitarbeiter beschäftigt werden soll. In manchen Regionen ist auch die eigentlich vorgesehene Vorrangprüfung, ob für die konkrete Beschäftigung deutsche Staatsangehörige oder EU-Bürger zur Verfügung stehen würden, wegen der guten Arbeitsmarktlage ausgesetzt. Das Zustimmungserfordernis entfällt nach einem Aufenthalt von vier Jahren, die Vorrangprüfung nach einem Aufenthalt von 15 Monaten.
  • Achtung: Für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, die Asyl nach dem 31. August 2015 beantragt haben, gilt ein allgemeines Beschäftigungsverbot. Derzeit sind das Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal sowie Serbien.
  • Ukrainer können nur mit einem Aufenthaltstitel der zuständigen Ausländerbehörde arbeiten, der eine abhängige Beschäftigung erlaubt. Es gilt aber keine Wartefrist, wenn sie direkt nach ihrem Antrag auf einen Aufenthaltstitel gemäß §24 AufenthG von der Ausländerbehörde die sogenannte Fiktionsbescheinigung erhalten, in der vermerkt ist: „Erwerbstätigkeit erlaubt“. Ausnahmen vom Arbeitsverbot können zudem für ukrainische Staatsangehörige mit biometrischem Pass gelten, die zur visumsfreien Einreise berechtigt sind und beispielsweise in Führungspositionen in Unternehmen oder in der Forschung tätig werden wollen.

Ausbildung im Ausland anerkennen lassen oder selbst ausbilden

Deutsche Unternehmen würden ihren Fachkräftebedarf gerne mit entsprechend ausgebildeten Asylsuchenden oder Geflüchteten stillen. Doch bei der Qualifikation geht es nicht nur um die Praxis, sondern auch Formalrechtliches. Daher sollten mögliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter dabei unterstützt werden, ihre Ausbildung anerkennen zu lassen. Davon profitieren potenzielle Arbeitgeber, denn viele Jobs dürfen nur mit der passenden formalen Qualifikationsbescheinigung besetzt werden. So funktioniert prinzipiell die Anerkennung der Ausbildung im Herkunftsland, wobei natürlich immer individuelle Aspekte eine Rolle spielen können:

  • Referenzberuf finden. Dabei hilft der Anerkennungs-Finder. Er liefert Informationen zu deutschen Berufen, wodurch sich der Referenzberuf auswählen lässt. Das beantwortet etwa die Frage, ob zwingend eine Anerkennung erforderlich ist, was vom Beruf und Herkunftsland abhängt. Generell ist eine Anerkennung immer hilfreich bei der Jobsuche beziehungsweise einer Weiterbildung.
  • Antrag stellen. Voraussetzung für einen Antrag ist, dass jemand einen Berufsabschluss hat. Das kann eine abgeschlossene Berufsausbildung sein oder ein abgeschlossenes Studium. Der Antrag ist bei der zuständigen Stelle einzureichen, in der Regel werden dazu diverse Dokumente benötigt. Die Antragsteller – beziehungsweise die an ihrer Beschäftigung interessieren Unternehmen – sollten sich im Vorfeld beraten lassen, welche Unterlagen es für die Anerkennung braucht und welche Kosten zu erwarten sind. In der Regel sind das zwischen 200 und 600 Euro
  • Bescheid abwarten. Die zuständige Stelle prüft den Antrag und fordert gegebenenfalls binnen eines Monats weitere Dokumente an. Die Qualifikation der Antragsteller wird mit dem deutschen Referenzberuf unter Berücksichtigung individueller Berufserfahrungen und weiterer Qualifikationen verglichen. Drei bis vier Monate dauert ein Anerkennungsverfahren durchschnittlich bis zum Bescheid. Mit einer vollen Anerkennung ist die Qualifikation gleichwertig zum deutschen Abschluss. Bei einer teilweisen Anerkennung könnte eine Zusatzqualifikation notwendig sein. Oder es gibt eine Möglichkeit, ohne volle Anerkennung in diesem Beruf zu arbeiten. Über die Alternativen sollten sich Antragsteller sowie potenzielle Arbeitgeber von Fachleuten der zuständigen Stelle oder bei den Kammern beraten lassen.

Asylbewerber und Geflüchtete als Auszubildende gewinnen

Viele Asylsuchende oder Geflüchtete haben keinen Berufsabschluss und würden gerne eine Ausbildung machen. Auch daran sind viele Unternehmen interessiert, die Probleme mit dem Besetzen ihrer Lehrstellen haben. Sie müssen allerdings darauf achten, welche gesetzlichen Vorgaben für welche Art von Beschäftigung gelten.

  • Praktika sind zum Teil vom Zustimmungserfordernis der BA ausgenommen, das eigentlich für Asylbewerber und Geduldete gilt. Pflichtpraktika bedürfen gar keiner Zustimmung. Praktika zu Berufsorientierung sind bei einer Dauer von bis zu drei Monaten ebenfalls zustimmungsfrei. Bei mehr als drei Monaten ist allerdings sowohl die Zustimmung erforderlich als auch die Zahlung des Mindestlohns. Gleiches gilt für ausbildungsbegleitende Praktika. Auch Praktika im Rahmen der Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses oder für die Berufserlaubnis in einem reglementierten Beruf bedürfen der Zustimmung der Arbeitsagentur.
  • Maßnahmen der Arbeitsförderung bei einem Arbeitgeber zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung dienen dazu, für eine Dauer von höchstens sechs Wochen vorhandene berufliche Kenntnisse festzustellen oder zu vermitteln. Dies bedarf keiner Genehmigung der Ausländerbehörde, muss aber bei der Agentur für Arbeit beantragt werden und kommt erst nach Ablauf der dreimonatigen Wartefrist in Frage.
  • Die betriebliche Einstiegsqualifizierung soll Grundlagen zum Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit in Vorbereitung auf die Berufsausbildung vermitteln oder vertiefen. Eine Einstiegsqualifizierung erfordert einen Antrag bei der Agentur für Arbeit sowie eine Genehmigung der Ausländerbehörde und darf maximal zwölf Monate dauern.
  • Die Probebeschäftigung von Asylbewerbern und Geduldeten, um ihre Eignung für eine spätere Einstellung zu testen, ist grundsätzlich möglich. Das erfordert jedoch eine Genehmigung der Ausländerbehörde sowie eine Zustimmung der Arbeitsagentur.
  • Betriebliche Ausbildungen dürfen Asylbewerber nach Ablauf der dreimonatigen Wartefrist beginnen. Geduldete können dies ab Tags eins nach Erteilung der Duldung, falls kein individuelles Arbeitsverbot vorliegt. Für den konkreten Ausbildungsplatz ist eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, bei staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberufe ist die Zustimmung der Agentur für Arbeit nicht nötig. Für die Dauer der Ausbildung erhalten Auszubildende einen gesicherten Aufenthalt.

Förderung für Aus- und Weiterbildung der Flüchtlinge nutzen

Auch bei der Beschäftigung von Flüchtlingen oder Asylsuchenden lassen sich diverse Förderprogramme zur Eingliederung, Aus- oder Weiterbildung nutzen. Firmenchefs und -chefinnen sollten sich in bei diesem Thema von der Arbeitsagentur, ihrer Kammer oder anderen (Hilfs-) Organisationen beraten lassen. Interessant sein könnten unter anderem:

  • Perspektiven für junge Flüchtlinge (PerjuF). Diese Maßnahme richtet sich an Geflüchtete unter 25 Jahren. Sie sollen Kenntnisse über den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erwerben, damit sie sich für eine passende Ausbildung entscheiden können. Die Jugendlichen arbeiten unter anderem in verschiedenen Betrieben, um ihre Fähigkeiten zu erproben.
  • Der Eingliederungszuschuss. Es gibt ihn zur Eingliederung von Personen, die Arbeit suchen und schwer vermittelbar sind. Der Eingliederungszuschuss (EGZ) zum Arbeitsentgelt gleich Minderleistungen etwa durch gesundheitliche Einschränkungen oder einen fehlenden Berufsabschluss aus und ist vor Beginn der Beschäftigung bei der Bundesarbeitsagentur zu beantragen.
  • Die Einstiegsqualifizierung. Ist jemand nicht in vollem Umfang für eine Ausbildung geeignet, lernbeeinträchtigt oder sozial benachteiligt, kommt eine bis zwölfmonatige Einstiegsqualifizierung (EQ) in Frage. Asylbewerber oder Geflüchtete wären etwa sprachlich lernbeeinträchtigt. Die Förderung ist bei der BA zu beantragen sowie von der Ausländerbehörde zu genehmigen.
  • Der Weiterbildungszuschuss. Eine Weiterbildungsmaßnahme kommt in Frage, wenn jemand zwar eine Ausbildung abgeschlossen hat, es aber nicht nachweisen kann. Oder wenn die Ausbildung in Deutschland nicht anerkannt wird. Die Förderung einer betrieblichen Umschulung oder Ausbildung bedarf der Zustimmung der BA sowie der Genehmigung der Ausländerbehörde. Bei anerkannten Ausbildungsberufen entfällt die Zustimmung.
  • Ausbildungsbegleitende Hilfen. Geduldete können bei ihrer Ausbildung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) unterstützt werden. Das kann ein Sprachkurs oder auch eine sozialpädagogische Begleitung sein, um einen erfolgreichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Hilfen lassen bis zu sechs Monate nach Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses nutzen, die Kosten übernimmt die Arbeitsagentur beziehungsweise das Jobcenter.

Angebote von Organisationen und Willkommenslotsen nutzen

Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich jedoch nicht nur auf die unterstützenden Angebote der Arbeitsagentur verlassen. Auch bei den Handwerkskammern sowie den Industrie- und Handelskammern gibt es Informationen und Unterstützung bei der Ausbildung und Beschäftigung von Asylbewerbern, Geduldeten und Flüchtlingen, beispielsweise einen Erstberatungs-Check für ukrainische Berufsqualifikationen. Auch die sogenannten Willkommenslotsinnen und Willkommenslotsen vom „NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ helfen Unternehmen beim Besetzen ihrer Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten. Sie erarbeiten zusammen mit dem Betrieb ein Anforderungsprofil, übernehmen die Suche von potenziellen Beschäftigten und können gezielt geeignete Personen vorschlagen. Außerdem empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit regionalen Organisationen, die sich um die Integration von Geflüchteten und Asylbewerbern bemühen. Allerdings sollte dabei der Anwalt oder die Anwältin eingebunden werden, damit in diesem sensiblen Bereich keine Fehler passieren.

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Frank Wiercks

ist Mitglied der Redaktion von TRIALOG, dem Unternehmermagazin für Mittelständler, Selbständige und Freiberufler. Außerdem arbeitet er für verschiedene Wirtschafts- und Managementmagazine. Zuvor war er unter anderem Chefredakteur von handwerk magazin und Markt und Mittelstand.

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