Können Selbstständige aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten, haben sie ein Problem – bei einer Krankschreibung bei Selbstständigkeit gibt es keinen Arbeitgeber, der eine Lohnfortzahlung für sechs Wochen leistet wie bei Angestellten. Auch Krankengeld bekommen Selbstständige nach Eingang ihrer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenversicherung nach sechs Wochen oft nur, wenn sie eine Zusatzversicherung für Krankengeld oder vorgezogenes Krankengeld abgeschlossen haben. Dennoch ist auch für selbstständig Tätige die Krankschreibung ein wichtiges Thema beim Arztbesuch – zumindest, wenn sie rechtzeitig ihre finanziellen und Versicherungsfragen geklärt haben. Auch als Selbstständiger ist der lästige Papierkram bei der Krankschreibung nur teils bereits wie geplant Vergangenheit. Das birgt Fallen. Für Selbstständige sind bei einer Krankschreibung zudem zahlreiche Pflichten und Details zu beachten, beispielsweise wenn sie verlängert wird oder sich auf Kinder bezieht. Ist jemand selbstständig tätig, bergen die Themen Krankschreibung und Arbeitsunfähigkeit daher viele Fragen, die mit Anwalts- und/oder Steuerberatungskanzlei zu klären wären.
Selbstständige brauchen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Nach einer Krankschreibung gibt es für Selbstständige kein anderes Unternehmen, das den Einnahmeausfall mit einer Art Lohnfortzahlung ausgleichen müsste – nur ihr eigenes. Dennoch ist auch für selbstständig Tätige die Krankschreibung wichtig. Diese benötigen sie für das Kranken- oder Krankentagegeld ihrer gesetzlichen Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung. Wichtig sein kann die Krankschreibung als Selbstständiger außerdem für Leistungen durch die Unfallkasse beziehungsweise Berufsgenossenschaft sowie die gesetzliche Rentenversicherung. Auch Zahlungen aus einer privaten Versicherung erhalten Selbstständige oft nur mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
So regelt das Gesetz die Krankschreibung grundsätzlich
Krankschreibung ist salopp gesagt nicht gleich Krankschreibung – das gilt für selbstständig Tätige ebenso wie für Angestellte. Die Vorgaben dafür, wann welche Zahlungen an Versicherte zu leisten sind, finden sich in §107 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Es bildet die Rechtsgrundlage für die Übermittlung einer Bescheinigung unter anderem für folgende Entgeltersatzleistungen durch die Krankenkasse:
- Krankengeld (auch Versorgungskrankengeld)
- Kinderkrankengeld (Krankengeld bei Erkrankung des allerdings nur gesetzlich versicherten Kindes)
- Kinderverletztengeld (Verletztengeld bei Verletzung eines Kindes – im Auftrag der Unfallkasse)
- Mutterschaftsgeld
sowie
- Übergangsgeld der Unfallversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit
- Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Rentenversicherung oder etwa
- Verletztengeld (durch die Unfallkassen oder Berufsgenossenschaften)
Diese Leistungen stehen den Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen – etwa aufgrund krankheitsbedingter oder unfallbedingter Krankschreibung – auch als Selbstständiger zu.
So sind selbstständig Tätige bei Krankschreibung abgesichert
Klar ist der Fall für alle pflichtgemäß gesetzlich Krankenversicherten. Sie erhalten wie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auch ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Wer bei Selbstständigkeit in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung ist, muss das Krankengeld zusätzlich absichern, um vergleichbare Leistungen zu erhalten. Für die Absicherung haben selbstständig Tätige zwei Möglichkeiten, Geld bei einer Krankschreibung zu erhalten: Sie können entweder
- eine sogenannte Wahlerklärung abgeben und erhalten dann ab dem 43. Tag der Krankschreibung einen Lohnausgleich für in der Regel 0,6 Prozentpunkte mehr Beitrag – sowie weitere Leistungen für den Entgeltausgleich wie beispielsweise Kinderkrankengeld – oder
- sie schließen einen Wahltarif bei ihrer Krankenkasse ab, der ihnen Krankengeld oder auch vorgezogenes Krankengeld sichert – in der Regel nach zwei Wochen.
Diese Absicherung bei Selbstständigkeit entspricht der von Angestellten bei längerer Krankschreibung, also nach regulär sechs Wochen Krankheitsdauer – Selbstständige mit Zusatzbeitrag oder Zusatztarif in der Krankenkasse erhalten also ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis zu 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze. Das Krankengeld der Kassen ist gedeckelt, 2022 auf rund 112,88 Euro täglich. An ihre Entscheidung für aufgestocktes Krankengeld bei Krankschreibung oder einen entsprechenden Wahltarif der Krankenkasse sind selbstständig tätige gesetzlich Krankenversicherte für je drei Jahre gebunden. Ein Wechsel in die private Krankenversicherung ist in dieser Zeit nicht möglich. Die Entscheidung für einen Wahltarif verhindert zusätzlich auch noch den Wechsel der gesetzlichen Krankenkasse. Weil sich die Wahltarife je nach Kasse teils deutlich unterscheiden, ist für Selbstständige die Beratung durch Finanz- oder Versicherungsexperten in Sachen Krankschreibung und Arbeitsunfähigkeit unbedingt empfehlenswert. Eine dritte Alternative ist bei Selbstständigkeit der Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung. Diese ist vor allem für gutverdienende Selbstständige interessant.
Das sollten gutverdienende Selbstständige wissen
Für viele selbstständig Tätige reicht bei einer Krankschreibung das gesetzliche Krankengeld nicht. Mit einem Wahltarif können sie den Krankengeldanspruch ergänzen oder ersetzen. Manche Ergänzungstarife überbrücken bei der Krankschreibung für Selbstständige mit Anspruch auf gesetzliches Krankengeld die Zeit bis zum 43. Tag. Einige Wahltarife stocken das Krankengeld auf – was interessant für Gutverdiener ist, denen der gedeckelte gesetzliche Satz nicht reicht. Einige Kassen bieten alternativ Wahltarife an, die das klassische Krankengeld bei Krankschreibung ersetzen – für einen früheren oder späteren Beginn. Die Kosten für solche Wahl- und Zusatztarife sind von Kasse zu Kasse verschieden.
Statt den Zusatzbedarf bei einer Krankschreibung bei Selbstständigkeit in der gesetzlichen Krankenkasse abzusichern, können auch gesetzlich versicherte Selbstständige eine private Krankentagegeldversicherung abschließen. Dies geht aber – wie in der privaten Krankenversicherung üblich – nur, solange sie noch recht gesund sind. Die gesetzlichen Krankenkassen als Anbieter der Wahltarife dagegen dürfen niemanden wegen einer Vorerkrankung ablehnen oder Beitragszuschläge wegen Alters oder bestimmter Vorerkrankungen verlangen und auch keine Versicherungsausschlüsse vornehmen.
Krankengeld für selbstständig Tätige komplizierter berechnet
Wie bei Festangestellten beträgt das Krankengeld auch bei einer Krankschreibung für selbstständig Tätige 70 Prozent des regelmäßigen Arbeitseinkommens. Als Berechnungsgrundlage orientiert sich die Krankenkasse an dem Einkommen, aus dem sie zuvor die Krankenkassenbeiträge errechnet hat. Nicht berücksichtigt sind dabei Nebeneinnahmen wie Mieteinkünfte, Kapitalerträge oder Einkünfte aus beitragsfreien geringfügigen Beschäftigungen. Schwierig wird es für hauptberuflich Selbstständige mit Verlust oder Nullgewinn – sie haben unter Umständen keinen Anspruch auf Krankengeld. Berücksichtigung findet bei der Berechnung zudem höchstens das Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung – daher die Deckelung des Krankengelds 2022 auf höchstens 112,88 Euro täglich. Seit Januar 2019 müssen Selbstständige zumindest keine Mindestbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen, wenn sie außer Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Mutterschaftsgeld in dieser Zeit kein Arbeitseinkommen haben. Das regelt das GKV-Versichertenentlastungsgesetz.
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Bei Selbstständigkeit Bedarf vor Krankschreibung abwägen
Für selbstständig Tätige gibt es bei einer Krankschreibung also einige Unwägbarkeiten für die Höhe des Krankengelds. Selbstständige sollten dies mit Blick auf eine jederzeit mögliche Krankschreibung schon vorher mit Fachleuten durchgerechnet haben. Faustregel zur Absicherung bei einer Arbeitsunfähigkeit ist für selbstständig Tätige: Je früher und mehr Geld man bei einer Krankschreibung als Selbstständiger wünscht, desto teurer ist üblicherweise der Vertrag. Daher wäre besonders wichtig, den Bedarf treffsicher abzuschätzen, der bei Selbstständigkeit im Fall einer Krankschreibung erforderlich ist. Nur so lässt sich eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung darüber treffen, welche zusätzlichen Kosten für die Absicherung akzeptabel sind. Pi mal Daumen muss das Krankengeld die laufenden monatlichen Ausgaben geteilt durch 30 Tage decken – und natürlich muss die Lücke für Wartezeit aus Eigenmitteln zu stemmen sein. Das sollten Selbstständige ausführlich mit ihrer Steuerberatungskanzlei klären, um für eine Krankschreibung beziehungsweise Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorbereitet zu sein – und in dem Zusammenhang sind immer auch Liquidität und Rücklagen anzusprechen.
Die Tücken der elektronischen Krankschreibung
Haben selbstständig Tätige dies abgesichert, können sie nach einer Krankschreibung ab dem 43. Tag Krankengeld von ihrer Krankenkasse erhalten. Seit 2016 gibt es für die Krankschreibung nur noch ein Formular. Der Arzt stellt auch für selbstständige Patienten und Patientinnen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus – mit einem Durchschlag für die eigenen Unterlagen und einer Ausfertigung für die Krankenkasse. Seit Oktober 2021 sollten Arztpraxen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung digital an die gesetzliche Krankenkasse übermitteln. Die Testphase für das neue System wurde jedoch auf unbestimmte Zeit verlängert. Viele Praxen verfügen auch noch nicht über die notwendige Technik. Kann die Arztpraxis aus technischen Gründen noch keine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ausstellen, darf sie Patienten den Krankenschein weiterhin in Papierform geben. Privatversicherte sind bislang generell von der eAU ausgenommen.
Ein paar grundlegende Informationen zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung finden sich im folgenden DATEV-Hilfe-Video.
Böse Falle durch stockende Digitalisierung
Eine tückischere Falle tut sich durch die stockende Digitalisierung auf. Übermittelt die Praxis die Krankschreibung nämlich nicht digital an die Krankenkasse, müssen selbstständig Tätige dies trotz Arbeitsunfähigkeit noch wie zuvor stets selbst erledigen. Um rechtzeitig ihr Krankengeld zu bekommen, müssen Selbstständige also die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach wie vor als Papierbeleg umgehend bei der Krankenkasse oder -versicherung einreichen. Und das möglichst mit schriftlichem Nachweis. Ein Einwurf-Einschreiben sollte hierfür ebenso reichen, wie ein Fax mit Sendebericht. Wer nach dem Arztbesuch einfach kurz die Bescheinigung in einer Geschäftsstelle der Krankenkasse abgibt, sollte sich den Empfang quittieren lassen. Manche Kassen ermöglichen es auch, die eingescannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per App oder auf einem Service-Portal hochzuladen.
Falle erneuter Krankschreibung als Selbstständiger ist entschärft
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als erwartet, kann der Arzt oder die Ärztin selbstständig Tätige wie angestellte Patientinnen und Patienten weiter krankschreiben. Dabei steckte die Tücke lange im Detail. Die Krankschreibung eines Arztes oder Facharztes gilt nämlich erst ab dem Tag nach dem Praxisbesuch – nicht für den Tag des Arztbesuchs selbst. Das Problem hierbei war jahrelang: Wer krankgeschrieben war, brauchte eine lückenlose Folgebescheinigung der Krankschreibung und musste daher bislang zwingend am letzten vom Arzt bescheinigten Krankheitstag bereits in der Praxis die neue Bescheinigung abholen. Ging er oder sie erst am Tag danach, konnte dieser fehlende Krankheitstag durch die so entstehende Lücke Patienten und Patientinnen das Krankengeld kosten, wie das Bundessozialgericht (BSG) höchstrichterlich im März 2014 bestätigte (Az.: B1KR17/13R).
Die Bedingungen waren streng. Die Richter am Bundessozialgericht beschlossen zudem in gleich drei Fällen, dass Patienten die Folgebescheinigung noch am letzten Tag ihrer bisherigen Krankschreibung beim Arzt abholen müssen, um den Krankengeldanspruch zu erhalten (Az.:B1KR 31/14, Az.:B1KR 35/14 und B1KR 37/14). Auch entschieden sie, dass Krankenkassen eine geschlossene Praxis (Az.:B1KR25/14) oder eine falsche Auskunft des Arztes (Az.:B1KR19/14) nicht als Grund akzeptieren müssen. Dabei galt außerdem: Der Versicherte muss nicht nur rechtzeitig in der Praxis des Arztes seine AU-Bescheinigung abholen – er muss außerdem auch selbst dafür sorgen, dass die Krankenkasse rechtzeitig von der weiteren Krankschreibung erfährt (Az.: B1KR20/11R).
Die gute Nachricht: Die Bundesregierung hat dieses für viele Versicherte gravierende Problem durch Einfügen eines Satzes in §46 des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) entschärft. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nun auch bestehen, wenn der Arzt die Arbeitsunfähigkeit nach Ende der Krankschreibung neu bescheinigt.
Krankengeld lässt sich ohne Wartezeit auch mit Pause verlängern
Zum Problem kann für selbstständig Tätige werden, dass sie wegen derselben Erkrankung eine erneute Krankschreibung erhalten. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gilt: Krankheitszeiten wegen derselben Erkrankung rechnen Krankenkassen zusammen, selbst wenn dazwischen einige Tage Arbeit liegen. Dies verhindert, dass mehrfach die Wartezeit von sechs Wochen entsteht, bevor das Krankengeld kommt. Dies gilt eigentlich auch bei der Krankschreibung für Selbstständige. Das Problem: Krankenkassen wenden diese Regelung bei Selbstständigkeit nicht an, wenn sie eine erneute Krankschreibung aus demselben Grund erhalten. Wie die unabhängige Patientenberatung berichtet, verhängen Kassen stattdessen erneut 42 Tage Wartezeit, wenn Selbstständige einige Tage vergeblich versucht haben, wieder zu arbeiten. Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) empfiehlt, dass Selbstständige gegen eine solche Entscheidung über ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen Einspruch einlegen. Sie verweist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2019, nach dem für Selbstständige bei Arbeitsunfähigkeit dieselben Regeln gelten wie für angestellte Versicherte (Az.B3KR15/17 R). Die Rechtsberatungskanzlei kümmert sich für Selbstständige bei wiederholter Krankschreibung darum.
Auch bei Selbstständigkeit nicht die Krankschreibung verkürzen
Die Krankschreibung ist grundsätzlich kein Arbeitsverbot – erst recht nicht bei Selbstständigkeit. Die Krankschreibung ist lediglich auch für Selbstständige eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sie trifft eine Prognose darüber, wie lange dieser Zustand voraussichtlich anhalten dürfte – kann also durchaus verkürzt oder verlängert werden. Allerdings sollte man auch als Selbstständiger eine Krankschreibung nicht nur gesundheitlich ernst nehmen, sondern auch aus rechtlichen Gründen. Auch für selbstständig Tätige nach einer Krankschreibung gelten Einschränkungen – so beeinträchtigen etwa bestimmte Medikamente die Straßenverkehrstauglichkeit und bedeuten de facto eine echte Arbeitsunfähigkeit. Darüber sollten sich auch Selbstständige bei Krankschreibung nicht hinwegsetzen.
Auch rechtliche Risiken drohen bei einer Verkürzung
Auch Infektionsrisiken können möglicherweise rechtlich heikel sein. Gerade bei meldepflichtigen Erkrankungen wie etwa Covid-19, aber auch Wind- oder Affenpocken sollten selbstständig Tätige ihre Isolation oder Krankschreibung nicht für Termine unterbrechen, die zu Risikokontakten führen. Selbst bei den zuletzt verkürzten Isolationsfristen können Haftungsrisiken drohen, mit etwas Pech sogar Strafverfahren. Gerade Selbstständige mit Patientenkontakt wie beispielsweise der Physiotherapeut, die Ärztin oder der Pflegedienstleister sollten im Zweifel ihren Anwalt fragen, wie sie sich als Selbstständige mit oder ohne Krankschreibung rechtssicher verhalten sollten.