Bereits heute gibt es unzählige KI-Anwendungen, die Unternehmen in den verschiedensten Bereichen Unterstützung versprechen. In Kooperation mit dem Masterstudiengang Public Relations und Unternehmenskommunikation der Hochschule Ansbach ist dieser Überblicksartikel entstanden. Die Studierenden beleuchten dabei KI in Verbindung mit drei wesentlichen Aspekten des Arbeitslebens: dem Onboarding, der Weiterbildung während einer Tätigkeit und abschließend noch dem Wissensmanagement, was vor allem beim Austritt aus einem Unternehmen relevant ist.
KI im Onboarding
Prof. Dr. Wolf Knüpffer ist Experte für Wirtschaftsinformatik und E-Business an der Hochschule Ansbach. Er erklärt, welche Chancen KI in der Einarbeitungsphase bietet.
DATEV TRIALOG: Was halten Sie im Onboarding-Prozess für besonders wichtig?
Knüpffer: Wir befinden uns in einem „War for Talents“. Es zeigt sich, dass gerade die ersten Wochen entscheidend sind für den langfristigen Verbleib qualifizierter Mitarbeiter im Unternehmen. Das Onboarding sollte effizient und für alle Beteiligten möglichst angenehm erfolgen. Es gilt, neue Mitarbeiter schnell ins Unternehmen zu integrieren. Eine „weiche Landung“ ist hier wichtig. Dem gegenüber stehen überlastete Mitarbeiter in den Personalabteilungen. Eine gezielte IT-Unterstützung kann hier sehr viel nützen.
Ist die Integration von KI mit einem sozialen Onboarding-Prozess vereinbar?
Zunächst einmal gibt es beim Onboarding viele Aufgaben, die stark automatisiert werden können. Das sind zum Beispiel die Erfassung persönlicher Daten und die Bereitstellung benötigter Zugangsdaten oder der Arbeitsausstattung. Hier gibt es vielfach noch Defizite in den Unternehmen. Schon hier können KI-Systeme gezielt Lösungswege anbieten und diese dynamisch anpassen. So werden Mitarbeiter von Routineaufgaben entlastet und können sich stärker auf die soziale Komponente im zwischenmenschlichen Bereich fokussieren. Die Stärke der KI liegt hier also – wie so oft – in der Unterstützung im Sinne eines Assistenzsystems.
Welche Chancen sehen Sie in der Nutzung von KI im Onboarding-Prozess?
Dort, wo wir zunehmend zeitlich und örtlich flexibel arbeiten, ist oft spontan kein Ansprechpartner unmittelbar verfügbar. Etwa auf Dienstreisen, beim Arbeiten im Homeoffice oder auch nur außerhalb der Kernarbeitszeiten. Dann kann zum Beispiel ein Chat-Bot mit weiteren Systemen in Hintergrund wertvolle Dienste leisten.
Welche potenziellen Risiken sehen Sie in der Implementierung von KI im Onboarding-Prozess?
Entscheidend ist natürlich die Qualität der Lösungen, die eine KI im Rahmen eines Onboarding-Prozesses liefert. An Systemen wie etwa ChatGPT sehen wir, dass KI mitunter Ergebnisse produziert, die auf den ersten Blick prima aussehen. Im Detail sind sie dann dennoch fehlerbehaftet. Solche Fehler können im Onboarding-Prozess im wahrsten Sinne des Wortes in die Irre führen. Entscheidend ist daher eine ständige Wartung und Anpassung der Systeme durch die Personaler und eine gesunde Wachheit der neuen Mitarbeiter.
Sehen Sie Chancen in einem Onboarding, das ausschließlich digital ist?
Wir haben uns in Zeiten der Pandemie an die Nutzung automatisierter Online-Systeme gewöhnt und erwarten diese heute sogar verstärkt. Der zunehmende Personalmangel drängt Unternehmen zusätzlich in diese Richtung. Gleichzeitig hat uns die Zeit der Lockdowns aber auch gezeigt, wie wichtig uns zwischenmenschliche Kontakte sind. Ein ausschließlich digitales Onboarding halte ich daher nicht für sinnvoll. Aspekte wie die Unternehmensatmosphäre, Formen des Miteinanders oder ein Wir-Gefühl kann eine Maschine nur schwer vermitteln. Sie kann aber Mitarbeiter entlasten, damit diese sich genau auf die Vermittlung dieser Aspekte konzentrieren können.
(Das Interview führten Nina Habrunner, Katharina Kittelberger, Giuliana Mocerino und Paula Wahlig)
KI in der Weiterbildung
Auch bei individuellen Weiterbildungsmaßnahmen wird geforscht, welche Vorteile die Nutzung von künstlicher Intelligenz haben kann. Die KI kann Lernkurse erstellen und individuell an die Bedürfnisse und persönlichen Interessen der Lernenden anpassen. In einigen Fällen, wie dem „KIPerWeb“-Projekt des Forschungsinstitut Betriebliche Bildung, sollen die Lernkurse über eine Weiterbildungsplattform im Internet angeboten werden.
Aktuelle KI-Systeme können auf maschinelles Lernen, Mustererkennung, Spracherkennung oder interaktive Dialogpartner beim Lernen zurückgreifen. Für den Aspekt des personalisierten und individuellen Lernens ist es zusätzlich wichtig, dass die künstliche Intelligenz Daten über den Lernfortschritt sammelt. Dadurch kann ein maßgeschneiderter Lernplan erstellt werden.
Mit einer KI-gestützten Lernplattform beziehungsweise einer digitalen Weiterbildungsplattform kann durch das Integrieren eines Chatbots ein projektbegleitender Austausch und Transfer stattfinden. Dies ermöglicht beispielsweise eine stetige Verbesserung des Lernprozesses.
Im Projekt APPOLO wird eine kostenfreie AI-basierte, plattformübergreifende Companion-App für lebenslange Lernoptimierung entwickelt. Den Nutzern soll ein intelligenter Assistent zur Verfügung gestellt werden, der auf dem individuellen Weiterbildungsweg unterstützt.
Bei der Entwicklung der App handelt es sich um ein Kooperationsprojekt von unterschiedlichen Einrichtungen:
- Hochschule der Bayerischen Wirtschaft
- Bertelsmann Stiftung
- Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft
- Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft
- TÜV Rheinland Akademie
Vom Kompetenzprofil zum individuellen Lernpfad
Durch das Projekt wird es Nutzern ermöglicht, mithilfe von künstlicher Intelligenz individuelle Weiterbildungsmaßnahmen zu entdecken. KI ermittelt hierbei ein Kompetenzprofil, indem Nutzer Angaben zu ihrer individuellen Qualifizierung angeben. Neben dem Upload von Zeugnissen und Lebensläufen haben Nutzer die Möglichkeit, ihre beruflichen Kompetenzen selbst einzuschätzen. Anschließend kann eine Überprüfung durch ein berufsfachliches Skill-Assessment durchgeführt werden. Durch ein Soft-Skill-Assessment und einen Test der Deutschkenntnisse kann das Kompetenzprofil verfeinert werden. Im Anschluss wird die App den Nutzern einen passgenauen Lernpfad für Weiterbildungsmaßnahmen sowie passende Jobangebote vorschlagen.
Seit September 2021 wird das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Am Projekt wird im Rahmen des Innovationswettbewerbs Digitale Plattform berufliche Weiterbildung (INVITE) gearbeitet. Es wird bis einschließlich August 2024 vom Bundesinstitut für Berufsbildung fachlich und administrativ begleitet.
(Autoren des Abschnitts „KI in der Weiterbildung“: Lars Dopfer, Aaron Hofmann, Julian Löhner und Maurice Pittner)
KI im Wissensmanagement
Verlässt ein Mitarbeiter die Firma, gehen zahlreiche Informationen, die nicht in Dokumenten zu finden sind, mit ihm. Um das zu verhindern, kann künstliche Intelligenz beim Offboarding in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.
Mit dem Tool der sogenannten „Wissensgraphen“ lasse sich das Wissensmanagement in Unternehmen extrem vereinfachen und verbessern, erklärt Prof. Dr. Andreas Dengel. Er ist seit 1993 Professor für KI an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).
Unter einem Wissensgraphen versteht man eine semantische Struktur, welche ein Netzwerk aus Objekten, Ereignissen, Situationen oder Konzepten der betrachteten Datenmenge erstellt und die Beziehungen zwischen ihnen veranschaulicht und explizit standardisiert, sodass jeder Computer das gleich versteht. Diese Informationen können dann von den Mitarbeitern bei konkreten Fragestellungen über eine unternehmenseigene Suchmaschine abgerufen werden.
Schnelle Antworten auf konkrete Fragen
Doch wie funktioniert das konkret? Zunächst agiert die KI des Tools als stiller Beobachter bei der täglichen Arbeit der Mitarbeitenden und hat Zugriff auf alle Ablageorte im Unternehmensnetzwerk, die oftmals siloartig verteilt und dezentral vorliegen. „Sie haben zum Beispiel Informationen in SAP, im Geoinformationssystem, im Archiv, im Netzlaufwerk oder sonst wo. Information ist also verteilt, aber adressierbar“, erklärt Dengel. Durch die Standardisierung kann die KI Zusammenhänge in den unternehmenseigenen Daten verstehen und lernt ständig dazu. Sucht ein Mitarbeiter nach einer bestimmten Information, kann er seine Frage einfach in eine interne Suchmaschine eingeben. Zum Beispiel: „Mit wem hat Max Mustermann über welche Themen während des Meetings in München gesprochen?“ Das System könne einem diese Frage laut Dengel dann direkt beantworten, ohne dass man selbst zahlreiche Dokumente in den verschiedensten Ablagesystemen durchsuchen müsse. Ein interaktives Archiv sozusagen.
Verlässt ein Mitarbeiter das Unternehmen also irgendwann, kann seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger somit nachvollziehen, welche Kontakte der Vorgänger beispielsweise hatte, welche Aufgaben regelmäßig auf ihn zukommen werden oder wo benötigte Informationen zu finden sind. „Sie haben dann das geballte Wissen einer Person im Zugriff, das sich über die Laufzeit ihrer Tätigkeit angesammelt hat.“ Für Dengel ist das ein großer Vorteil beim Offboarding des scheidenden beziehungsweise Onboarding des neuen Mitarbeiters. Auch das maschinelle Lernen der KI sei hierbei gewinnbringend. „Das System denkt quasi mit. Es beobachtet Sie beispielsweise beim Schreiben und setzt es in Bezug zu dem, was es schon weiß. Es arbeitet wie eine Assoziationsmaschine, die aufgrund dessen, wie Dinge sich aufeinander beziehen, eben auch neue Informationen dann wieder in Relation setzen kann.“
Unterstützung im Arbeitsalltag aller Angestellten
Wissensgraphen sind auch eine Hilfe im normalen Arbeitsalltag aller Mitarbeiter. Fragen wie „Wer ist Ansprechpartner für das Projekt XY?“ oder „Wer hat alles am Meeting letzten Dienstag teilgenommen?“ können anhand der Wissensgraphen in wenigen Sekunden beantwortet werden. Laut Andreas Dengel setzen bereits mehrere Unternehmen in Deutschland dieses System erfolgreich ein. Auch Google arbeitet damit: Sucht man im Internet nach Personen, Einrichtungen oder Orten, wird auf der rechten Seite ein Kasten mit allen wichtigen Informationen angezeigt, die aus einem Wissensgraphen stammen.
Den einzigen Nachteil in diesem Modell sieht Professor Dengel in der Tatsache, dass die Nutzer auch aktiv mitarbeiten müssen, damit das Tool immer zuverlässiger werden kann. „Wenn das System Vorschläge macht wie ‚Ich habe da einen Bezug gefunden‘ und man das dann nicht bestätigt, geht dieser Vorschlag wieder verloren. Das heißt, neue Relationen werden nur dann in den Wissensgraphen aufgenommen, wenn man sich auch aktiv beteiligt. Das erfordert eine gewisse Disziplin, die nicht unbedingt jede Person bereit ist, zu investieren“, erklärt Dengel.
Andreas Dengel gibt Unternehmen zudem als Rat mit auf den Weg, keine Angst vor KI zu haben und sich vor ihr auch nicht zu verschließen: „Man kann nicht früh genug damit anfangen, KI zu nutzen. Wer heute erst darüber nachdenkt, KI im Unternehmen einzusetzen, der ist spät dran. Dieses kognitive Werkzeug kann uns entlasten und Freiräume schaffen, um uns auf Aufgaben zu konzentrieren, für die Menschen prädestiniert sind. Es gibt viele Bereiche, in denen KI den Menschen nicht ersetzen kann. Und dort einen guten Weg zu finden, dieses Werkzeug für die tägliche Arbeit einzusetzen, ist unbedingt erforderlich.“
(Autor des Abschnitts „KI im Wissensmanagement“: Felix Beuter)