Strategie & Entwicklung

Nachhaltigkeit in Unternehmen – das Gebot der Stunde

Höchste Zeit für Unter­nehmen, sich mit dem The­ma Nach­haltig­keit zu be­schäf­tigen. Denn der regu­la­to­rische und der gesell­schaft­liche Druck wachsen. Die Effekte sind öko­no­misch, öko­lo­gisch und so­zial gleicher­maßen spür­bar. Es gibt also viele gute Grün­de, sich mit dem Thema aus­ein­ander­zu­set­zen.

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Amir Roughani ist Geschäftsleiter der Klimahelden und einer, der es wissen muss, schließlich begleitet er Unternehmen durch die Transformation zum nachhaltigen Unternehmen.

TRIALOG: Wo stehen wir gesellschaftlich in der Klimadebatte?

Amir Roughani: Wenn wir die Verpflichtung des Pariser Klimaschutzabkommens auf Deutschland übertragen, dürften wir eigentlich ab dem 1. April eines Jahres keinen CO2-Ausstoß mehr haben. Übertragen auf den Pro-Kopf-Verbrauch können wir davon ausgehen, dass wir derzeit etwa elf Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr haben. Damit sind wir weltweit auf Platz fünf! Das müssen wir massiv auf ein bis zwei Tonnen pro Jahr reduzieren. Wir haben also noch viel vor uns und müssen immense Anstrengungen unternehmen, um unsere Ziele zu erreichen.

Wir glauben aber, unseren Beitrag schon zu leisten, indem wir unsere Joghurtbecher ausspülen und in den Gelben Sack werfen und dazu noch regional biologisch einkaufen. Das ist auch sehr lobenswert; aber wir als Nation haben einiges mehr aufzuholen!

Klimatransformation im Blick

Wo sind die größten Stellschrauben?

Roughani: Um unseren Wohlstand zu erhalten, müssen wir die Transformation schaffen. Das bedeutet, dass wir künftig auf klimafreundliche und klimaneutrale Geschäftsmodelle setzen, die eine neue Form von Mobilität, Ernährung, Wohnen und Tourismus und ähnlichem ermöglichen.

Nehmen wir als Beispiel die Automobilindustrie, in der wir die Transformation jahrelang nicht ernst genommen haben. Man hörte Argumente wie „Der Kunde will gar keine Elektroautos“ bis „amerikanische und japanische Hersteller zeigten, dass E-Mobilität sehr wohl möglich und auch gewünscht ist“. Damit will ich sagen, dass etablierte Marktplayer Verantwortung bei der Gestaltung der Produkte im Sinne der Klimatransformation haben. Wer denkt, er habe sich mit seinem Produkt etabliert und halte die Einstiegsgrenzen für Wettbewerber somit hoch, verfolgt den falschen Ansatz.

Die Produkte müssen künftig (auch) im Interesse der künftigen Generationen entwickelt werden; im Interesse des Bevölkerungswachstums weltweit. Wir haben momentan rund 1.5 Milliarden Menschen weltweit, die leben wie wir hier in Deutschland; insgesamt gibt es aber 7.5 Milliarden Menschen auf der Erde und die wollen ähnlich wie wir konsumieren. Wenn wir nun alles abschöpfen, was möglich ist, haben die Folgegenerationen gar nichts mehr – das kann wohl kaum unser Ziel sein!

Nachhaltigkeit ist Pflicht für alle Unternehmen

Welche Branchen sollten besonders schnell umdenken?

Roughani: Die Energiewirtschaft ist stark verantwortlich für einen Großteil des CO2-Ausstoßes, den wir momentan haben. Die Bau- sowie die Automobilbranche sind die Segmente, die besonders stark ins Gewicht fallen, aber auch die Verbraucher spielen mit ihrem Konsum- und Nahrungsverhalten eine wichtige Rolle.

Die Transformation wird gelingen, wenn wir sie sehr stark auf die Energie beziehen. Diese ist schließlich für alles notwendig: Um Prozesse zu ermöglichen (in allen Branchen). Wenn wir von fossilen Energien weggehen und auf erneuerbare Energien setzen, haben wir schon viel geschafft. Zudem sollte jedes Unternehmen selbst Verantwortung übernehmen, indem es bestimmte Dinge hinterfragt. Zum Beispiel die Support- oder Kern-Prozesse. Dabei geht es nicht nur darum, zu zeigen, dass wir alle Gutmenschen sind; es geht darum, künftig das eigene Geschäftsmodell zu sichern.

Nachhaltigkeit mit Plan

Wie lässt sich eine Klimastrategie für ein Unternehmen entwickeln?

Roughani: Jede gute Unternehmensplanung sollte künftig eine Klimastrategie beinhalten. Jedes Unternehmen hat – oder sollte haben – eine Strategie, in der es festlegt, wohin es sich entwickeln wird, welche Ziele es verfolgt. In diesem Kontext ist die Klimastrategie nicht mehr wegzudenken. Diese beinhaltet zwei Faktoren: Eine Außen- und eine Innenanalyse.

Bei der Außenanalyse betrachtet man die regulatorischen Maßgaben, die Einfluss auf das eigene Unternehmen haben. Zudem ist zu berücksichtigen, welche Wettbewerber Einfluss auf das Produkt haben (Stichwort Tesla auf Automobilbranche) und auch, wie sich das Verbraucherverhalten entwickelt, also, was die Kunden und Kundinnen erwarten in punkto Unternehmensführung und Nachhaltigkeit. Dazu kommt auch das Thema Bewerber und Bewerberinnen sowie Fachkräfte: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit im War for Talents?

Blick nach innen

Dazu kommt dann die Innenperspektive. Dabei geht um die Klimabilanz, also welchen CO2-Footprint hat das eigene Unternehmen, was sind die Quellen dafür und wie können diese transparent dargestellt werden. Alles mit dem Ziel, Maßnahmen sowie Vermeidungsstrategien daraus abzuleiten. Ein simples Beispiel: Wie viele CO2-Emissionen können allein bei der Umstellung von Grau- auf Grünstrom eingespart werden? Es ist aber durchaus auch möglich, dass durch bestimmte Prozessumstellungen CO2 auch komplett vermieden werden kann.

Hier ist die Klimabilanz der Startpunkt, um daraus Maßnahmen abzuleiten, die zur Reduzierung oder Vermeidung führen. Dies beinhaltet ebenfalls eine langfristige Planung. Man denke beispielsweise an die Umstellung eines Fuhrparks, was nicht von Heute auf Morgen möglich ist. Die Restmengen, nach Vermeidung und Reduzierung, kann ein Unternehmen dann durch Kompensation klimaneutral stellen, indem Klimaschutzprojekte unterstützt und Zertifikate erworben werden.

Implementierung von Nachhaltigkeit erzeugt Unsicherheit in Unternehmen

Klingt als wäre das mit einem Change-Prozess verbunden. Macht das Angst?

Roughani: Jein. Das ist eine Haltungsfrage. Als Unternehmensinhaber und Geschäftsführer habe ich selbst immer mal wieder gegen Widerstände gekämpft. Klar, die Kollegen und Kolleginnen in den operativen Einheiten mussten nun zusätzlich zum Alltagsgeschäfts Reportings und Zahlenauswertungen vornehmen. Das führte zu Aufwänden von ein bis zwei Wochen pro Jahr. Das hat aber auch zu vielen positiven Veränderungen geführt. Wir haben neue Firmen im Bereich Future Mobility und Future Energy gegründet, für die Mitarbeiter haben wir beispielsweise Fahrradstellplätze geschaffen, Corporate Car Sharing gestartet und produzieren inzwischen unseren eigenen Strom. Langfristig zahlt sich der Aufwand aus, denn wir haben die Zufriedenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhöht und neue Bewerber und Bewerberinnen gefunden und uns durch diese Strategie umweltfreundlicher und nachhaltiger aufgestellt. Damit kann also – wenn das Thema ernstgenommen wird – eine Transformation des Geschäftsmodells einhergehen.

Themen rund um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen peu a peu umsetzen

Klein anfangen oder groß denken?

Roughani: Die Frage muss man individuell beantworten: Ich empfehle allen Unternehmern, sich mit dem Thema zu beschäftigen und eine Klimabilanz zu erstellen. Daraus lässt sich dann eine Klimastrategie mit den am dringendsten umzusetzenden Punkten ableiten. Dann kann jedes Unternehmen aufgrund seiner individuellen Ressourcen und Möglichkeiten entscheiden, welche Punkte es umsetzen möchte.

Welche Punkte werden im Rahmen einer Klimabilanz betrachtet?

Roughani: Eine Klimabilanz wird in der Regel auf Basis einer international anerkannten Methode – das Greenhouse Gas Protocol (GHG) erstellt. Dabei werden vorgelagerte und nachgelagerte Wertschöpfungsketten sowie die im Unternehmen direkt ausgestoßenen Emissionen erfasst. Bei den darauffolgenden Reduzierungsmaßnahmen ist die Energieversorgung, also auf Ökostrom umstellen, häufig ein Punkt. Die Umstellung auf Ökopapier, Gasversorgung oder die Anpassung der Reiserichtlinien sind häufig weitere Reduzierungsfaktoren. Wenn man das Thema klug angeht, agiert man nämlich nicht nur nachhaltig, sondern reduziert auch Kosten.

Auch Transparenz wird Pflicht

Welche weiteren regulatorischen Beschränkungen erwarten Unternehmen künftig?

Roughani: Themen wie die EU-Taxonomie sowie das Thema „Non Financial Reporting“ rollen auf uns zu. Aber das müssen wir doch so sehen: Wenn wir Veränderung wollen, müssen wir das als Unternehmen akzeptieren und mit entsprechender Transparenz unseren Beitrag leisten. Ab 2024 ist es ab 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verpflichtend, so ein Reporting zu liefern. Es ist aber nun so, dass große Unternehmen, wie beispielsweise die Automobilbranche verpflichtet ist, diese Transparenz auf alle Lieferanten herunterzubrechen und dafür zu sorgen, dass auch diese im Sinne der Klimaneutralität arbeiten. Das wird also ab 2024 ziemlich wahrscheinlich sehr viele Unternehmen betreffen, nicht nur diejenigen ab 250 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Wie bekommt ein Unternehmen Unterstützung beim Einstieg in die Nachhaltigkeit?

Roughani: Je nach Komplexität ist man auf Berater angewiesen – oder eben auch nicht. Als Klimahelden haben wir den gesamten Prozess digitalisiert und für KMUs größtenteils mit statistischen Werten automatisiert.

Wir haben ein Modell geschaffen, bei dem die Steuerberater die Möglichkeit haben, neben den Unternehmensbilanzen auch die Klimabilanzen zu erstellen. Die Basis für Klimabilanzen sind immer Eingangsrechnungen, die der Steuerberater ja ohnehin im Rahmen der Unternehmensbilanz in den Händen hält. Mit unserer Software lässt sich daraus automatisch die Klimabilanz herausarbeiten. Damit wird viel Geld und vor allem wertvolle Zeit gespart.

Nachhaltigkeit in Unternehmen – gut für’s Image

Tue Gutes und sprich dann darüber – oder ist eher Understatement angesagt?

Roughani: Unternehmen sollten unbedingt kommunizieren, was sie tun: In den Sozialen Medien, mittels Siegeln oder Urkunden. Aber Vorsicht: Man rutscht ins Greenwashing, wenn man keine Reduzierungs- oder Vermeidungsstrategien vorweisen kann. Also wenn Unternehmen eine Klimabilanz erstellen und die Menge dann 1:1 nur ausgleichen. Einen Ablasshandel oder ein Freikaufen können wir generell nicht empfehlen. Nehmen Sie das Thema ernst!

Wollen wir uns Nachhaltigkeit in Zeiten von Pandemien und drohender Garknappheit leisten?

Roughani: Die Probleme, die sich durch die Klimakrise mit den daraus resultierenden Herausforderungen ergeben, duldet keinen Aufschub und lässt sich nicht durch Kriege oder Pandemien aufhalten. Die Erderwärmung und das Thema ist allgegenwärtig, die momentan stattfindenden Vorgänge beschleunigen es katastrophal. Unsere Hausaufgaben sind nicht gelöst, weil wir jetzt andere, dringendere kurzfristige Krisen lösen müssen.

Vielleicht sollte man sich umgekehrt fragen, ob wir nicht die anderen Probleme haben, weil wir die Klimakrise so vernachlässigt haben. Hätten wir den Ausbau erneuerbaren Energien konsequenter und globaler vorangetrieben, anstatt ihn zu deckeln (wie politisch passiert) hätten wir nun nicht so einen Handlungsdruck. Jede Kilowattstunde, die wir in den vergangenen Jahren mehr dazu gewonnen hätten, würde uns nun entlasten. Durch Nachhaltigkeit erreichen wir auch Unabhängigkeit und leisten einen wichtigen Beitrag für Frieden.

mehr dazu

Amir Roughani ist Gründer und CEO der Vispiron GmbH München, mit mehr als 400 Mitarbeiter:innen im Technologiesektor. Er ist im Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums und Mitglied der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Serial Entrepreneur engagiert sich für den Klimaschutz und unterstützt diverse gesellschaftliche Projekte.



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