Personal & Führung

AGG: Lieber Schu­lung or­ga­ni­sie­ren, als Schadenersatz zahlen

Zwar hat das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz kei­ne Kla­ge­wel­le aus­ge­löst, trotz­dem lohnt es sich, in ei­ne Schu­lung zum AGG zu in­ves­tie­ren. So re­du­ziert sich das Ri­si­ko be­rech­tig­ter For­de­rung auf Scha­den­er­satz. Die An­walts­kanz­lei er­klärt, was zu be­achten ist.

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Wenigstens eine Horrorvision rund ums Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist Fiktion geblieben. Nicht auf jede undurchdacht formulierte Stellenanzeige haben sich AGG-Hopper und -Hopperinnen gemeldet, um juristische Vorteile aus dieser Nachlässigkeit zu ziehen. Zudem haben die Gerichte viele offenkundige Versuche vereitelt, bei Bewerbungen auf – AGG-technisch betrachtet – suboptimale Jobangebote erst eine Absage zu provozieren und dann Schadenersatz wegen Diskriminierung einzuklagen. Trotzdem bleibt Gleichbehandlung für Unternehmen ein wichtiges Thema, selbst ohne Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – deshalb sollten am besten alle Beschäftigten in einer Schulung die Inhalte des AGG und die entsprechende Definition von Diskriminierung kennenlernen. Immerhin geht es ganz konkret um die korrekte Behandlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Bewerbern und auch den Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern. Die Materie ist schwierig. Deshalb sollten Unternehmer und Unternehmerinnen hierzu regelmäßig das Gespräch mit ihrer Rechtsberatungskanzlei suchen. Und auch an ihre eigene Schulung zu Fragen des AGG denken.

Den Schutz durch das AGG in ei­ner Schu­lung besprechen

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wurde 2006 erlassen und zuletzt 2013 aktualisiert. „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“, formuliert §1 eine Art Definition von Gleichstellung für alle erdenklichen Anwendungsbereiche. Ohne Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wäre so eine Definition vielleicht naheliegend und entsprechende Schulung der Führungskräfte sowie aller Beschäftigten wünschenswert. Seit Inkrafttreten des AGG ist so eine Schulung nicht mehr nur wünschenswert, sondern de facto unumgänglich. Und über die Inhalte des AGG sowie die damit verbundenen Anforderungen ans Verhalten anderen Personen per Aushang zu informieren. Denn schon ein Verstoß dagegen könnte die Forderung von Schadenersatz begründen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz be­trifft alle Bereiche

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schreibt die Gleichbehandlung aller Menschen in allen erdenklichen Bereichen vor. Dazu zählen

  • die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, beim Zugang zu Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position;
  • die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen. Insbesondere ist das AGG bei individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen oder Maßnahmen im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen wie beispielsweise Abmahnungen oder auch beim beruflichen Aufstieg;
  • der Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, Berufsbildung einschließlich Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung sowie praktischen Berufserfahrung;
  • die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen;
  • der Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und Gesundheitsdienste;
  • soziale Vergünstigungen;
  • Bildung;
  • der Zugang zu und jede Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum.

Damit fällt so ziemlich jede Kundenbeziehung unter das AGG – ohne Schulung passieren schnell Verstöße.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ver­bie­tet Be­nachteiligung

Ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mag sich als letztlich trockene Sammlung von Paragrafen zunächst mit der Definition von Diskriminierung beschäftigen – doch im Unternehmen dreht sich die typische Schulung zum AGG dann weniger um abstrakte rechtliche Inhalte als darum, welche konkreten Verhaltensweisen in der Geschäftswelt problematisch sind. Dafür gibt es allgemeingültige Vorgaben. Zudem ist manches abhängig von Betrieb und Branche. Unmittelbare Benachteiligung ist laut Definition durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, „wenn eine Person wegen eines in §1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ Den Klassiker dürften Personalverantwortliche kennen: Sie sollten im Gespräch mit einer Bewerberin nicht nach einer Schwangerschaft fragen. Und natürlich müssen schon Stellenanzeigen korrekt formuliert sein. Zahlreiche Urteile stecken ab, was geht und was nicht, beispielsweise ein Gender-Sternchen. Eine AGG-Schulung führt Firmenchefs und -chefinnen sowie ihren Beschäftigten vor Augen, was in verschiedenen Situationen zu beachten ist.

Ganz wichtig: Erheben Bewerber oder Bewerberinnen, Kunden oder Kundinnen sowie eigene Beschäftigte einen AGG-relevanten Vorwurf, trägt der oder die Beschuldigte die Beweislast. Das Unternehmen muss belegen, dass es keinen Verstoß gab.

Grafik zeigt zum Thema Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG die 10 häufigsten Diskriminierungsmerkmale: 41 Prozent Behinderung, 33 Prozent Ethnische Herkunft, 17 Prozent Geschlecht, neun Prozent Alter, fünf Prozent Religion, vier Prozent sexuelle Identität, zwei Prozent Weltanschauung.

Per Schulung An­for­de­rung­en des AGG und Definition klären

Gerechtfertigt sein kann trotz lückenloser Definition durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eine mittelbare Benachteiligung. Bei dieser können „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in §1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen.“ Ungleichbehandlung geboten sein kann laut AGG bei einem rechtmäßigen Ziel, etwa Mutterschutz für Frauen, die mit Gefahrstoffen arbeiten. Allerdings muss das Mittel „angemessen und erforderlich“ sein. Das Gesetz macht Vorgaben für Abhilfe in bestimmten Situationen. Daher sollten Unternehmen den Anwalt oder die Anwältin um eine Schulung zum AGG in ihren speziellen Themen und Fragestellungen bitten. Und bei komplexen Sachlagen, die in jedem Betrieb auftauchen können, stets Rechtsrat einholen. Was etwa ist zu tun, wenn sich eine befristet beschäftigte Mitarbeiterin intern um eine unbefristete Stelle bewirbt? Und man sie grundsätzlich schon, aktuell wegen Mutterschutz aber nicht übernehmen möchte? In diesem Fall wäre ebenso wie bei Beförderungen eine Ungleichbehandlung schwangerer Mitarbeiterinnen rechtlich nicht okay.

Verstoß gegen AGG kann An­spruch auf Schadenersatz auslösen

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt auch vor Belästigung. Diese ist laut Definition durch das AGG eine Benachteiligung, „wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in §1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Es geht um unerwünschte sexuelle Handlungen, sexuell bestimmte Berührungen oder auch etwa Bemerkungen oder Darstellungen sexuellen Inhalts. „MeToo“ lässt grüßen. Dabei verpflichtet das AGG nicht nur dazu, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Arbeitsplatz vor sexueller Belästigung zu schützen. Es betrachtet Verfehlungen als Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Unternehmen gibt das AGG die Möglichkeit für arbeitsrechtliche Sanktionen gegen belästigende Personen, bis zur Kündigung. Und Betroffene dürfen aufgrund des Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zum Eigenschutz die Arbeit einstellen – auch deshalb empfiehlt sich eine Schulung. Gibt es im Betrieb ein Problem, sollten Unternehmer und Unternehmerinnen stets eingehend mit der Rechtsanwaltskanzlei klärten, was zu tun ist.

Das Gleichbehandlungsgesetz fordert Vor­beu­gung und Schulung

Ausdrücklich gibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin vor, sich um vorbeugende Maßnahmen zu kümmern. Dies können neben der Schulung zum AGG auch Selbstverpflichtungserklärungen für einen gedeihlichen Umgang miteinander sein. Natürlich ist es grundsätzlich eher sinnvoll, die Beschäftigten auf Konsens einzustimmen, als ihnen bestimmte Verhaltensweisen vorzuschreiben oder zu verbieten. Das gilt insbesondere für den mitmenschlichen Bereich. Aus grundsätzlichen rechtlichen Erwägungen kann es aber durchaus sinnvoll sein, bestimmte Dinge gut dokumentiert und eindeutig klarzustellen. Ausdrückliche Regeln für eine Gleichbehandlung sowie gegen die vom AGG sanktionierten Verhaltensweisen zeigen den Mitarbeitern klare (Verhaltens-)Grenzen auf. Und sie zeigen, dass das Unternehmen das Thema ernst nimmt. Allerdings ersetzen schriftliche Ansagen keine Schulung zum AGG und sind auch keine Vollkaskoversicherung gegen Forderungen nach Schadenersatz. Für die Formulierung von Verhaltensregeln oder Ergänzungen zum Arbeitsvertrag sollten Unternehmer und Unternehmerinnen das Know-how ihres Anwalts oder ihrer Anwältin nutzen.

Breites Schutz­kon­zept für Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Laut Definition durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beschränken sich relevante Themen nicht auf den innerbetrieblichen Bereich. Sie können im Gegenteil sehr vielfältig sein und erhebliche Außenwirkung entfalten. Neben internen AGG-Vorgaben können daher je nach Branche auch solche für den Umgang mit Kunden und Kundinnen beziehungsweise Geschäftspartnern und -partnerinnen sinnvoll sein. Das gilt beispielsweise für eine mögliche Diskriminierung oder Belästigung etwa in der Gastronomie, in der Passagierbeförderung oder im Reiseverkehr. Besonders wichtig ist diese Vorbeugung für Betriebe, deren Angebote sich an Minderjährige wenden. Die Bundesbeauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs rät Einrichtungen und Unternehmen ausdrücklich, ein spezielles Schutzkonzept zu erstellen. Damit sollte sich Missbrauch verhindern oder wenigstens zeitnah erkennen und beenden lassen. Dies ist ebenso wichtig wie das Einhalten bestimmter Pflichten, etwa der Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses für bestimmte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auch solche Aspekte gehören in eine Schulung zum AGG. Wer hier nachlässig handelt, riskiert leichtfertig Sanktionen und Forderungen auf Schadenersatz.

Auch Kunden können Schadenersatz gemäß AGG verlangen

AGG-relevant ist auch, was „bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Dazu zählt die Benachteiligung einer Person aufgrund von Geschlecht, Abstammung oder einem anderen in §1 genannten Grund. Was das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Benachteiligung einstuft, kann für Unternehmen bei Verstößen teuer werden – als gutes Beispiel zur Definition kann in einer Schulung der Fall des Vermieters dienen, der eine Villa für Hochzeiten bereitstellte. Er hatte sein Angebot zurückgezogen, als er die Interessenten als homosexuelles Paar identifizierte. Er schrieb ihnen: „Sehr gut, dass sie das noch geklärt haben.“ Das Haus gehöre seiner Mutter, und diese könne sich mit den neuen Gegebenheiten nicht so recht anfreunden… Das Landgericht Köln sprach den Kunden 850 Euro Schadenersatz pro Person wegen Diskriminierung aufgrund sexueller Identität zu. Die Weigerung, den Mietvertrag abzuschließen, verstoße gegen das AGG, urteilte das Gericht.

Schulung zu den Aus­nah­men des AGG bei älteren Beschäftigten

Geschäftsleute sollten potenzielle Kunden und Kundinnen oder Beschäftigte und deren Belange nicht zu sehr durch ihre persönliche Brille betrachten. Eine Schulung zum AGG lohnt sich allein schon dafür, keinen Schadenersatz zahlen zu müssen. Dass die Materie komplexer ist, als viele denken, zeigt ein AGG-Wissenstest von „handwerk magazin“. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erlaubt etwa Förderprogramme für Angehörige geschützter Personengruppen. Eine Schulung klärt, ob daraus nicht irgendwann die Diskriminierung anderer Beschäftigter wird. Zudem gelten Ausnahmen für ältere Personen. Bei ihnen sind – anders als sonst – zeitlich befristete Arbeitsverträge ohne Sachgrund für bis zu fünf Jahre zulässig. Dafür müssen sie mindestens 52 Jahre alt sein. Ob dann noch andere Voraussetzungen gelten, sollten Unternehmer und Unternehmerinnen mit der Rechtsberatungskanzlei klären. Möglicherweise lassen sich mit diesen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen dann leichter Befristungsvereinbarungen abschließen, denn Altersdiskriminierung läge nicht vor. Ohne anwaltlichen Rat empfehlen sich solche Verträge aber nicht – zumal sie auch wasserdicht in Schriftform vorliegen müssen.

Über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und wesentliche Aspekte des AGG informiert auch folgendes Video.

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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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