Was bis vor Jahresfrist noch das Privileg einiger weniger Branchen, sogar einzelner Unternehmen war, ist heute Routine. Vor der Corona-Krise arbeiteten nur 17 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland gelegentlich, überwiegend oder ausschließlich von zu Hause aus. Homeoffice war vor Corona „ein Arrangement, das einer sehr privilegierten Gruppe von Beschäftigten zu Teil wurde“, steht in einer aktuellen Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).
Alltag und Arbeiten ist inzwischen kaum anders vorstellbar – auch für mich. Zumindest dort, wo es auch mobil möglich ist. Was aber bedeutet das für die Zeit nach der Corona-Pandemie? Werden wir dann alle den Schalter wieder in die andere Richtung umlegen? Und genauso arbeiten wie früher? Oder aber nehmen wir das, was wir gelernt haben über das mobile Arbeiten und die hybriden Arbeitsmodelle mit in die Zukunft?
Homeoffice ist Pflichtprogramm
Immerhin. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung wurde vor kurzem ein weiteres Mal verlängert – vorerst bis zum 30. Juni 2021. Arbeitgeber sind demnach verpflichtet, Homeoffice anzubieten, überall da, wo es möglich ist. Das gilt für alle Tätigkeiten, die sich dafür eignen, zu Hause erledigt zu werden. Es sei denn, es sprechen etwa betriebliche Gründe dagegen, zum Beispiel, weil sonst die Abläufe im Unternehmen erheblich eingeschränkt werden. Und natürlich können Angestellte in Produktion; Handel oder Logistik nicht von daheim aus ihrer Arbeit nachgehen.
Was inzwischen aber nicht mehr als Hinderungsgrund gilt, ist die technische Ausstattung. Auch hat die Corona-Krise gezeigt, dass es machbar ist, Arbeitsorganisation zu verändern und auf digital umzustellen. Hier haben viele Unternehmen gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im vergangenen Jahr Großes geleistet und sich in jeder Hinsicht flexibel gezeigt.
Homeoffice kein ausgelagertes Büro
Trotzdem dürfen Arbeitgeber nicht vergessen, dass das Homeoffice – rechtlich betrachtet – kein ausgelagertes Büro ist. Über den Kopf der Beschäftigten hinweg darf dies nicht zur Pflicht erklärt werden. Schließlich ist die Wohnung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers immer noch dessen Privatsache, mit allen möglichen Einschränkungen, die die Wohnverhältnisse für das Homeoffice mit sich bringen können. Das gilt vor allem für Pandemiezeiten, wo sämtliche Familienmitglieder zur gleichen Zeit daheim arbeiten müssen – ob im Job oder im Homeschooling, ob in der Hausarbeit oder der Kinderbetreuung. Diese aktuelle Ausnahmesituation sorgt bei vielen Menschen für dauerhaften Stress, der zugleich die Sehnsucht nach dem Arbeitsplatz im Büro mit sich bringt.
Dazu kommt, dass die fortschreitende Digitalisierung in der Arbeitswelt auch mit Ängsten besetzt ist. Eine aktuelle Studie „Hopes and Fears 2021“ zeigt, dass 40 Prozent der Befragten ihre Kompetenz für neue Technologien seit Beginn der Pandemie zwar verbessert haben und weiter ausbauen wollen. Allerdings erhält ein gutes Fünftel von ihren Arbeitgebern dafür keine Gelegenheit – ein Ergebnis, das klar darlegt, wo derzeit noch die Defizite liegen. Wenn uns die Corona-Krise eines gelehrt hat, dann dass die Digitalisierung uns in vielen Punkten positiv begleiten und das Arbeiten von überall erleichtern kann. Deswegen ist es entscheidend, innerhalb des Unternehmens auch nach der Pandemie in Bewegung zu bleiben und zu prüfen, wo digitale Instrumente sinnvoll sind – und wo vielleicht auch nicht.
Klar ist: Eine Rolle rückwärts wird es nicht geben. Zwar wird Homeoffice womöglich nicht der neue Standard sein – auch wenn knapp drei Viertel der Befragten in der genannten Studie sich auch nach der Corona-Krise ein überwiegendes Arbeiten von zu Hause aus vorstellen könnten. Aber wir werden neue Formen des Arbeitens erleben, hybride Modelle, mobile Berufstätigkeit von überall aus. Gleich wo man sich gerade befindet, angepasst an die individuellen Bedürfnisse und die jeweilige Lebensphase. Für diese Form des ganzheitlichen Arbeitens brauchen wir faire betriebliche Regeln und die rechtlich notwendigen Rahmenbedingungen. Und vor allem umfassende Konzepte, auf die wir uns verständigen müssen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam.