Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer lieben ihre Arbeit. Selbstbestimmt können sie tun, was ihnen Freude bereitet. Kaum jemand fragt sich: „Was sind Berufskrankheiten?“ Doch anerkannte Berufskrankheiten nehmen zu. Die Zahl steigt seit Jahren, zuletzt sogar sprunghaft und massiv. Wichtigste Hürde bei der Anerkennung von Berufskrankheiten durch Berufsgenossenschaften (BG) oder Unfallkassen: Leistungen gibt es nur, wenn gemäß der Definition von Berufskrankheiten ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und Beruf besteht. Der aber ist oft schwer nachweisbar. Die Firmenleitung sollte eine – inzwischen auch für psychische Risiken vorgeschriebene – Gefährdungsbeurteilung nutzen, um sich auch mit der Gefahrendokumentation für den Fall von Berufskrankheiten auseinanderzusetzen. Wer Vorkehrungen gegen die Gefährdungen für häufige Beispiele von Berufskrankheiten trifft, erfüllt nicht nur gesetzliche Vorschriften. Er oder sie stärkt auch die Einsatzfähigkeit der Beschäftigten und erleichtert einen eventuell später nötigen Antrag wegen einer Berufskrankheit.
Firmenchefs und -chefinnen sollten mit den Aufsichtsbeamten der zuständigen Berufsgenossenschaft und gegebenenfalls ihrer Rechtsanwaltskanzlei klären, wie sie Belastungen dokumentieren können, die häufige Berufskrankheiten aus der Berufskrankheitenliste gemäß Verordnung auslösen können. Mit dem weggefallenen Unterlassungszwang entfällt eine Sorge für Arbeitgeber und Beschäftigte. Entfall des Unterlassungszwangs bedeutet: Wer trotz einer Berufskrankheit seine Tätigkeit – gegebenenfalls verändert – weiter ausüben kann, darf dies seit 2021 auch, zumindest bei einigen Berufskrankheiten.
Anerkannte Berufskrankheit: Mehr Leistungen der BG
Unternehmerinnen und Unternehmer sollten das Thema Berufskrankheiten ernst nehmen. Unterlassen sie Sicherheitsvorkehrungen, drohen Regressforderung von der gesetzlichen Unfallversicherung. Außerdem müssen sie – ebenso wie Ärztinnen und Ärzte – den Verdacht auf eine Berufskrankheit umgehend den zuständigen Berufsgenossenschaften oder Unfallkassen melden. Nur so gibt es Leistungen der Unfallversicherungsträger. Diese umfassen neben den Kosten für medizinische Behandlung oder Rehabilitation auch Hilfsmittel, Pflege sowie Geldleistungen. Auch Versicherte oder ihre Angehörigen können den Verdacht auf Berufskrankheiten melden, ebenso Krankenkassen. Abgesichert sind vor allem Risiken durch häufige Berufskrankheiten, die auf der Berufskrankheitenliste gemäß Verordnung stehen. Anerkennung durch die BG oder Unfallkasse finden auch Erkrankungen wie derzeit vor allem Covid-19 – was als Infektionskrankheit inzwischen auf der Berufskrankheitenliste steht – für Angehörige medizinischer Berufe oder als Arbeitsunfall auch für andere gesetzlich Unfallversicherte bei Ansteckung während einer versicherten Tätigkeit. Eine Erkrankung nach Sars-Cov-2-Infektion zählt mittlerweile zu den häufigsten Berufskrankheiten.
Selbstständige können sich freiwillig gegen Berufskrankheiten oder auch Arbeitsunfälle absichern. Dafür müssen sie einen schriftlichen Antrag bei der zuständigen Berufsgenossenschaft stellen. Leistungen der BG gibt es nicht nur bei einer bestehenden Berufskrankheit. Auch die Prävention von Berufskrankheiten gemäß Definition als beruflich verursachte Erkrankungen unterstützt die Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft finanziell. Lässt sich eine krankheitsverursachende Gefahr am Arbeitsplatz nicht durch Schutzausrüstungen, Sicherheitsvorkehrungen, therapeutische Maßnahmen oder den Austausch gefährdender Arbeitsstoffe beseitigen und unterlassen Versicherte deshalb die gefährdende Tätigkeit, können sie eine Übergangsleistung für die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile erhalten. Das gilt auch, nachdem der strikte Unterlassungszwang für manche Berufskrankheit auf der Berufskrankheitenliste Anfang 2021 weggefallen ist.
Diverse Berufskrankheiten auf der Berufskrankheitenliste
Die Berufskrankheitenliste umfasst derzeit 82 Erkrankungen. Beispiele für häufige Berufskrankheiten sind Lärmschwerhörigkeit, Asbestose oder durch Siliziumdioxid ausgelöster Lungenkrebs. Auch „Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe“ – ein klarer Fall etwa beim Dachdecken oder im Straßenbau. „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“, stehen ebenso auf der Liste. Auch „von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten“ oder Tropenkrankheiten. Zudem sind Erkrankungen der Bandscheiben in Lenden- oder Halswirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen von Lasten gute Beispiele für anerkannte Berufskrankheiten gemäß Definition.
Selbst für manche Erkrankungen auf der Berufskrankheitenliste sind die Aussichten auf Anerkennung als Berufskrankheiten durch BG oder Unfallkasse im individuellen Fall allerdings gering. Der Antrag auf Leistungen für eine Berufskrankheit durch die Berufsgenossenschaft scheitert letztlich oft am Beweis, dass die Erkrankung auf die berufliche Tätigkeit zurückgeht. Denn für gelistete Erkrankungen fehlt ein Verzeichnis, welchen beruflichen Gefährdungen mögliche Erkrankungen zugeordnet werden – oder welcher Erkrankung welche beruflichen Auslöser.
Nachweispflicht für Anerkennung von Berufskrankheiten
Ob es um häufige oder seltenere in der Berufskrankheitenliste aufgeführte Berufskrankheiten geht – nach Anerkennung als Berufskrankheit sind die Leistungen der Berufsgenossenschaften großzügiger, als die der Krankenkassen. Die Berufsgenossenschaften ermitteln nach Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit Versicherungszeiten, Gefährdungen, arbeitsmedizinische Vorsorgen sowie die Krankheitsgeschichte und beauftragen die Begutachtung. Berufskrankheiten finden Anerkennung insbesondere in Fällen mit einfacher Beweisführung: Lärmschwerhörigkeit, Hautkrankheiten, berufsbedingte Allergien, Schadstoffen zuzurechnende Krebserkrankungen. Gut die Hälfte der Ausgaben der Berufsgenossenschaften entfiel jahrelang auf eine Handvoll Berufskrankheiten – ganz vorne lag laut Bundesregierung die Belastung durch Asbest. Arbeitsrechtlerinnen und -rechtler vermuten eine hohe Dunkelziffer bei den gar nicht erst als Berufskrankheiten angezeigten Erkrankungen. Ein Grund ist die Verordnung für anerkannte Berufskrankheiten gemäß Berufskrankheitenliste mit derzeit 82 Krankheitsbildern aus den verschiedensten Bereichen. Für nicht in der Liste enthaltene Krankheiten ist eine Anerkennung als Berufskrankheit durch BG oder Unfallkasse kaum zu erreichen.
Ein weiterer Grund ist, dass gemäß der Definition von Berufskrankheiten nachvollziehbar sein muss, dass die Erkrankung durch berufliche Belastungen oder während der beruflichen Tätigkeit entstanden ist. Dieser Nachweis und damit die Anerkennung durch die BG ist bei den meisten Berufskrankheiten schwierig. Vor der Pandemie endeten nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) – dem Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand – bis zu rund drei Viertel der Anzeigen möglicher Berufskrankheiten ohne Anerkennung. 2018 kam es in 19.748 von 78.384 Verfahren zur Anerkennung einer Berufskrankheit, 2019 in 18.156 von 79.234 Fällen. Seit 2020 steigt die Zahl wegen Covid-19, das unter Infektionskrankheiten auf der Berufskrankheitenliste steht – und mit ihr die Anerkennungsquote. 2020 fanden 52.956 der insgesamt 106.491 angezeigten Berufskrankheiten eine Anerkennung durch Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, darunter 30.329 Covid-19-Erkrankungen. 2021 erkannten die Unfallversicherungsträger 123.228 von 226.611 Meldungen an, darunter 152.173 Covid-19-Meldungen. 2019 wurden lediglich 787 Infektionen als Berufskrankheit anerkannt.
Beispiele für häufige Berufskrankheiten? Covid-19
Auf die Liste der Beispiele für häufige Berufskrankheiten mit hoher Anerkennungsquote gehört Covid-19 – unter Infektionskrankheiten weiterhin auf der Berufskrankheitenliste. Mit der Anerkennung als Berufskrankheit durch die BG könnte es künftig bei Covid schwieriger werden. Als Nachweis genügten bislang meistens PCR-Test und Kontakt zu mindestens einem Infizierten im Betrieb. Nach dem Auslaufen von Maßnahmen wie der Testpflicht dürfte der Nachweis zur Anerkennung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anspruchsvoller werden – der Antrag mit Blick auf mögliche Folgeschäden aber laut DGUV möglicherweise weiterhin sinnvoll. Was zu dokumentieren ist, sollten Unternehmerinnen und Unternehmer bei der Rechtsanwaltskanzlei erfragen.
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Psychische Erkrankungen fehlen auf der Berufskrankheitenliste
Lehnen der Unfallversicherungsträger sowie dessen Rentenausschuss einen Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit ab, können Betroffene dagegen Einspruch einlegen und beim Sozialgericht klagen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten gering. Selbst bei der Anerkennung von Hauterkrankungen als Berufskrankheiten liegt die Anerkennungsquote nur bei zwei Prozent. Vor allem bei den zunehmend verbreiteten psychischen Erkrankungen stehen die Chancen auf Leistungen der Berufsgenossenschaft für Berufskrankheit besonders schlecht. Das Landessozialgericht Bayern hat beispielsweise die Klage eines Versicherungsfachwirts auf Anerkennung seiner Depression und Burnout-Erkrankung abgewiesen. Zwar gebe es die Möglichkeit, nicht gelistete Berufskrankheiten in Einzelfällen als anerkannte Berufskrankheiten zu bewerten, urteilte das Gericht. Psychische Erkrankungen lassen sich nach Ansicht der Richterinnen und Richter aber generell nicht als beruflich belastungsbedingt einordnen. Die dafür nötigen wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine erhöhte Belastung einer bestimmten Personengruppe fehlten, so ihr Argument. Auch im Einzelfall konnten sie eine solche Belastung nicht erkennen. Am Nachweis von Berufskrankheiten scheitert die gutachterliche Beweisführung häufig.
Arbeitsmediziner fordern zentrale Dokumentation
Um die Anerkennungsquote von Berufskrankheiten näher an das mutmaßlich tatsächlich höhere Maß zu bringen, fordern Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner, dass Betriebe für jedes Jobprofil die durchschnittlichen Belastungen dokumentieren müssen. Diese Daten sollten zentral und nicht personenbezogen nach Tätigkeitsprofilen bei einer unabhängigen Stelle gespeichert werden – als eine Art Gefährdungskataster quasi ergänzend zur Berufskrankheitenliste, die seltenere wie häufige Berufskrankheiten aufführt. Das würde die Anerkennung von Berufskrankheiten bei der BG oder Unfallkasse erleichtern. So wäre eventuell nachvollziehbar, dass etwa Altenpflegerinnen im Job schwer heben mussten und ihren Beruf deshalb nicht mehr ausüben können. Die Berufsgenossenschaft müsste dann öfter Leistungen wegen einer Berufskrankheit übernehmen. Ein solches Prozedere für eine einfachere Anerkennung von Berufskrankheiten ist allerdings noch nicht Pflicht. Unternehmerinnen und Unternehmer können nur aus eigenem Antrieb mehr tun, als die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten und Gefährdungen zu dokumentieren. Auch können sie darüber hinaus für Prävention sorgen.
Belastungen besser vorsorglich dokumentieren
Eine Gefährdungsbeurteilung ist für Betriebe sowieso Pflicht. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten klären, inwiefern beim späteren Antrag auf Leistungen für Berufskrankheiten bei der Berufsgenossenschaft freiwillige Aufzeichnungen von Belastungen sinnvoll sein könnten. Für die verschiedenen Beispiele für häufige Berufskrankheiten gemäß Berufskrankheitenliste beziehungsweise Verordnung und qua Definition als beruflich verursacht können das diverse Angaben sein. Im Interesse der Beschäftigten und des Unternehmens dürfte es sein, als Ergänzung der Personalakte oder Lohnunterlagen eine Dokumentation der beruflichen Belastungen für die verschiedenen Bereiche und Tätigkeiten zu erstellen und diese aktuell zu halten. Ob und wie das geht, wäre mit der Berufsgenossenschaft zu klären und mit der Rechtsanwaltskanzlei umzusetzen. Nur die Fachleute wissen, was mit Blick auf die Anforderungen der Berufsgenossenschaft in etwaigen Sozialgerichtsverfahren sinnvoll ist. Gegebenenfalls können Beschäftigte selbst regelmäßig eine Auflistung der von ihnen ausgeübten belastenden Tätigkeiten im Personalbüro einreichen. Nach Absprache, auf Basis der Gefährdungsbeurteilungen sowie anwaltlicher Empfehlungen hierzu.
Dieser Zusatzaufwand erspart später eventuell viel Ärger und erleichtert beauftragten Gutachterinnen oder Gutachtern ihre Einschätzung. Mit Blick auf häufige Berufskrankheiten wie Covid-19 kann ein Gespräch mit der BG, dem Betriebsarzt beziehungsweise der Betriebsärztin oder auch einer auf betriebliches Gesundheitsmanagement spezialisierten Beratungsgesellschaft sinnvoll sein. Je nach Lage im Unternehmen könnten etwa Gurgeltests weiter sinnvoll sein. Richtig angewendet können solche Maßnahmen der Infektionskontrolle bei der späteren Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall durch Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft helfen. Zudem helfen Isolation ebenso wie Lufthygienemaßnahmen oder auch Masken, den Betrieb zuverlässig aufrechtzuerhalten. Besondere Maßnahmen und Dokumentation können gerade mit Blick auf Covid generell weiter sinnvoll sein. Beispielsweise mit Blick auf Folgeschäden wie etwa Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Sinnvoll ist das vor allem in sensibleren Einsatzbereichen. Etwa mit Blick auf Schädigungen des Gehirns oder von Sinnesorganen, die die Qualität oder Produktivität beeinträchtigen oder die Unfallgefahr steigern können.