Es ist so praktisch wie üblich. Wer wegen Rückenschmerzen den Arzt aufsucht, erhält mit dem Rezept für Krankengymnastik einen Tipp, zu welchem Physiotherapeuten er gehen könnte. Wer per Bildschirmanalyse die medizinischen Einlagen für Schuhe angepasst bekommt, soll das Rezept eine Etage tiefer beim Sanitätshaus einlösen. Dort liegen die Messergebnisse bereits vor. Seit Jahren läuft im Gesundheitswesen eine erregte Debatte darüber, wo die Grenze zwischen sinnvoller Kooperation und Korruption verläuft. Für die Korruptionsbeauftragten der Krankenkassen stehen Kooperationen von Orthopäden mit Physiotherapeuten sowie Sanitätshäusern oder von HNO-Ärzten mit Hörgeräteakustikern im Fokus. Aber auch Krankenhäuser, Pharmafirmen und andere Ärzte stehen im Ruf, bisweilen unlauter zu kooperieren. Sie sollten sich püber das Antikorruptionsgesetz informieren
Für Korruption drohen auch Haftstrafen
Das Thema Korruption im Gesundheitswesen und die mit möglichen Regelverstößen verbundenen Folgen – bis hin zur Freiheitsstrafe – sind derart heiß, dass manch eine Praxis sich bereits mit bloßen Empfehlungen zurückhält und dem Patienten auf die Frage etwa nach einem guten Physiotherapeuten oder Facharzt mit dem Rezept oder der Überweisung lediglich eine Liste sämtlicher Experten im Umkreis aushändigt. Dabei müssten die Mediziner gar keine übermäßige Scheu vor Kooperationen haben – solange eine Empfehlung oder Zusammenarbeit im Sinne des Patienten ist sowie standes- und vertragsrechtlichen Vorgaben entspricht, ist alles gut. Es gibt einige recht klare und letztlich sehr einfache Regeln, welche Kooperation in Ordnung geht und wann die Grenze zur Korruption überschritten ist. Sie stehen im „Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen“ (Antikorruptionsgesetz), das neben dem Strafgesetzbuch auch weitere Gesetze als zusätzliche Paragraphen ergänzt.
Antikorruptionsgesetz macht Vorgaben für Kooperationen
Das seit Juni 2016 geltende Antikorruptionsgesetz legt zunächst eine Selbstverständlichkeit fest: Die „ärztliche Behandlung sollte an den medizinischen Erfordernissen der Behandlung und nicht an erzielbaren Vorteilen für den Arzt oder Dritte ausgerichtet werden.“ Es verweist auf berufs- und vertragsarztrechtliche Regelungen. „Ein Verhalten, das berufs- und vertragsarztrechtskonform ist, kann grundsätzlich nicht gemäß § 299a, b StGB strafbar sein, also wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Das Antikorruptionsgesetz rät: „Wenn Sie vertraglich kooperieren, dokumentieren Sie die Kriterien der Preisbildung, um einen Verdacht der ‚versteckten‘ Vorteilsgewährung entkräften zu können.“ Die Devise bei Kooperationen: Alles dokumentieren. Dafür legt das Gesetz fest: „Das bereits genannte Dokumentationsprinzip erfordert, dass sämtliche Leistungen schriftlich und vollständig dokumentiert werden. Es erleichtert, die Ordnungsgemäßheit einer vertraglichen Beziehung nachzuvollziehen. Ärzte sollten klären, was sie aufzeichnen und welche Erläuterungen sie ihren Unterlagen hinzufügen, um Vorwürfen begegnen zu können.
Rechtskonforme Kooperationsverträge müssen gelebt werden
Das Antikorruptionsgesetz verweist neben dem Dokumentationsprinzip auf weitere Prinzipien: das Äquivalenz-, das Trennungs- und das Transparenzprinzip. Konkret:
- Das Transparenzprinzip gebietet, dass sämtliche Sach- und Geldzuwendungen an die ärztliche Praxis, die den Arzt begünstigen könnten, schriftlich anzuzeigen sind.
- Das Trennungsprinzip verbietet Zuwendungen an Ärzte und ihre Mitarbeiter, die abhängig sind von Umsatzgeschäften, Beschaffungs-, Verordnungs- oder Therapieentscheidungen oder anderen ärztlichen Entscheidungen.
- Das Äquivalenzprinzip verlangt, dass bei Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten und anderen, etwa Krankenhäusern, die ärztliche Leistung und die dafür gewährte Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Auch das Gesetz empfiehlt implizit, einen Anwalt zu befragen. Zumindest für den Fall, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines vereinbarten Kooperationsvertrags aufkommen. Wichtig: Mit Blick auf Kooperationen im Gesundheitswesen reicht es nicht allein, dass der Vertrag rechtskonform ist. Er ist zu leben, so will es das Gesetz. „Ein rechtskonformer Vertrag, der nicht umgesetzt wird, sondern nur als ‚Feigenblatt‘ dient, schützt nicht vor Strafe. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Strafbarkeit gemäß §§ 299a, b StGB ist die ‚gelebte Wirklichkeit’“, gibt das Antikorruptionsgesetz vor.
Keine Kickback-Zahlungen – auch nicht in Naturalien
Klare Sache also. Klar auch, warum es manchmal Ärger geben muss – etwa in einem Fall, den das Landgericht Stade verhandelte und über den die „Wirtschaftswoche“ in einem Artikel zum Thema illegale Deals berichtete. Wie in zahllosen anderen Fällen auch, hatte eine große Praxis hier Patienten an ein Sanitätshaus vermittelt. Mit Blick auf das medizinische Großgerät, das das Sanitätshaus der Praxis geschenkt hatte, bezweifelten die Richter, dass die Kooperation wirklich ausschließlich Sachgründen geschuldet war. Sie stuften das Geschenk als eine Art Kickback-Zahlung ein – also eine verdeckte Provision –, die illegal ist. Von derart gestalteten Kooperationen würde ein Anwalt sicher abraten.
Rechtssicher schenken und schenken lassen
Auch nach Regeln für Geschenke sollten – übrigens nicht nur – Ärzte oder andere Angehörige der weißen Zunft ihren Anwalt fragen. Es ist für jeden Unternehmer sehr wichtig, sich über die Grenzen des Schenkens und Beschenktwerdens klarzuwerden. Auch, aber nicht nur in den korruptionsverdächtigeren Wirtschaftsbereichen. Denn so erfreulich Zusammenarbeit und Schenken auch sind. Nur wer rechtssicher schenkt und schenken lässt, hat auch ungetrübt und auf Dauer Freude daran.