Datenschutz & Verbraucher

Diesel­fah­rer soll­ten ih­re An­sprü­che im Abgasskandal ge­nau prüfen

Der Abgas­skan­dal vor dem Bun­des­ge­richts­hof: Per Hin­weis­be­schluss deu­ten die BGH-Rich­ter an, ei­ne Ab­schalt­ein­rich­tung sei wahr­schein­lich ein Sach­man­gel. Jetzt soll­ten Be­trof­fe­ne klä­ren: Sind ih­­re An­­sprü­­che ver­­jährt, kön­­nen sie ei­­nen Lea­­sing­­ver­­trag be­­en­­den, sticht der Widerrufs-Joker?

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Die Mitarbeiter der Stiftung Warentest haben einen Überblick über Klagen in Sachen Abgasskandal erstellt. Sie unterteilen in Verfahren gegen die Audi AG, die Daimler AG, die Porsche AG, die Volkswagen AG oder andere Unternehmen des VW-Konzerns sowie Autohändler. In einer eigenen Kategorie führen sie Klagen von Aktionären gegen die Volkswagen AG. Und in einer weiteren Klage von Rechtsschutzversicherten gegen Assekuranzen, die keinen Prozess unterstützen wollten. In der jeweiligen Kategorie sind die Vorgänge alphabetisch geordnet, vom Amtsgericht Ahlen bis zum Oberlandesgericht Naumburg. Die Liste ist ziemlich lang – ein beeindruckendes Zeugnis dafür, wie intensiv die Justiz den Themenkomplex Dieselgate/Schummelsoftware bearbeitet. Und sie dürfte länger werden. In vielen Verfahren um Schadenersatz und Fahrzeugrücknahme, die im Sinne der Kläger endeten, steht ein rechtskräftiges Urteil aus – sie gehen in die nächste Instanz. Durch Vergleiche und Rechtsmittel versuchen die Konzerne, möglichst lange vor allem endgültige höchstrichterliche Entscheidungen zu verhindern. Die hätten Signalwirkung für untere Instanzen.

Noch kein höchst­rich­ter­li­ches Ur­teil im Ab­gas­skandal

In der Liste findet sich eine Stellungnahme des Bundesgerichtshofs. Kein Urteil, weil es auch in diesem Fall kurz vor der Verhandlung einen Vergleich gab. Aber ein Hinweisbeschluss, in dem die Richter ihre vorläufige Rechtsauffassung darlegen. Seine Formulierung lässt erkennen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung höchstrichterlich wahrscheinlich als Sachmangel gewertet wird: „Weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde besteht und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.“ Schon dieser Hinweisbeschluss könnte die Position von Klägern vor niedrigeren Instanzen stärken, weil die Einschätzung des BGH natürlich als Orientierung für Amts-, Land- oder Oberlandesgerichte dient. Offenkundig hatten die Bundesrichter von der Verschleppungstaktik in Form von Vergleichen vor allem seitens VW die Nase voll, mit der ihnen wiederholt die Möglichkeit genommen worden war, ein offizielles Urteil zu sprechen.

Begann mit Be­kannt­wer­den des Skan­dals die Ver­jäh­rungs­frist?

Eine gute Nachricht für Kläger: Es ist wahrscheinlicher geworden, dass sie ein fehlerhaftes Auto zurückgeben oder Schadenersatz erhalten können. Daher sollten Besitzer eines Diesel mit Schummelsoftware prüfen, ob sie Ansprüche gegen einen Händler oder Hersteller geltend machen können. Der Musterfeststellungsklage gegen VW können sie sich anschließen oder selbst ihr Recht einklagen. Juristen diskutieren für beide Wege, ob eventuelle Ansprüche inzwischen teilweise verjährt sind. Zwar wurde der VW-Abgasskandal im Herbst 2015 bekannt, also vor über drei Jahren. Experten argumentieren aber unter anderem, allein die allgemeine öffentliche Berichterstattung über das Thema bedeute nicht, dass Geschädigte automatisch Kenntnis davon hätten. Vielleicht greife auch die Zehn-Jahres-Frist, die unabhängig von einer etwaigen Kenntnis des Geschädigten am Tag nach der Verletzungshandlung abläuft. Also zehn Jahre nach der Erstzulassung eines Fahrzeugs. Deshalb empfiehlt es sich, den eigenen Fall mit einem Anwalt darauf zu prüfen, ob sich eine individuelle Klage lohnt.

Rückgabe we­gen feh­ler­haf­ter Wi­der­rufs­be­leh­rung denkbar

Außerdem sollte der Anwalt prüfen, ob man eine weitere Möglichkeit zur Trennung von einem dreckigen Diesel nutzen kann – den Widerrufs-Joker. Der hat zwar direkt nichts mit dem Abgasskandal zu tun, er ist aber trotzdem ein Trumpf. Experten halten nämlich die Widerrufsbelehrungen in den Kreditverträgen der hauseigenen Banken des VW-Konzerns für fehlerhaft. Wer sein Fahrzeug ab dem 11. Juni 2010 mit einem Autokredit finanziert hat, könnte deshalb eventuell den Vertrag widerrufen und den Wagen zurückgeben. Bei Verträgen ab dem 13. Juni 2014, so meinen diese Experten, dürfte nicht einmal ein Geldbetrag für die Nutzung des Autos fällig sein. Außerdem können Leasingnehmer versuchen, aus einem laufenden Vertrag auszusteigen, wenn der geleaste Wagen mit Schummelsoftware fährt.

Abgasskandal for­dert Op­fer un­ter den Auto­häusern

Jeder ist sich selbst der Nächste – das liegt bei so einem Thema auf der Hand. Verständlicherweise versucht jeder Fahrer eines Diesel mit Schummelsoftware, das defekte Produkte umzutauschen oder zurückzugeben. Für die Kfz-Branche ist dies allerdings eine schlechte Nachricht – fallende Restwerte bei Rückläufern aus Leasingverträgen haben schon erste mittelständische Autohäuser in die Insolvenz getrieben. Dabei können die Händler nichts dafür, dass die Fahrzeuge jetzt weniger wert sind. Sie haben sich auf technische Angaben sowie Werbematerial der Konzerne verlassen und Autos verleast oder verkauft, die amtlich zugelassen waren. Auch unter diesem Aspekt ist es ärgerlich, dass schon wiederholt mittelständische Autohäuser gerichtlich zur Rücknahme von Dieseln mit Schummelsoftware verdonnert wurden – während der Konzern, der massenhaft defekte Produkte in den Markt gedrückt hat, alle Verantwortung von sich zu schieben versucht.

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Frank Wiercks

ist Mitglied der Redaktion von TRIALOG, dem Unternehmermagazin für Mittelständler, Selbständige und Freiberufler. Außerdem arbeitet er für verschiedene Wirtschafts- und Managementmagazine. Zuvor war er unter anderem Chefredakteur von handwerk magazin und Markt und Mittelstand.

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