Politik & Verbände

Spür­barer Büro­kra­tie­abbau lässt wei­ter auf sich warten

Büro­kra­tie­ab­bau hat in Sonn­tags­re­den der Po­li­ti­ker ei­nen Eh­ren­platz. Tat­säch­lich war­tet die Wirt­schaft trotz kon­kre­ter Vor­schlä­ge auf ech­te Er­leich­te­rungen. Wann das be­reits ver­spro­chene näch­ste Bü­ro­kra­tie­ent­lastungs­ge­setz ins Ka­bi­nett kommt, ist noch offen.

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Bürokratie ist teuer. Jährlich steigen die dadurch in deutschen Unternehmen verursachten Kosten, vor allem durch Informationspflichten. Obwohl Bürokratieabbau als wichtige Regierungsaufgabe gilt, wuchs die Belastung der Wirtschaft durch ausufernden Papierkram 2017 um eine Milliarde Euro. Großteils aufgrund von EU-Regelungen, berichtet „Die Welt“. Doch nicht nur Vorgaben aus Brüssel belasten deutsche Betriebe. Als preistreibende Klassiker der heimischen Bürokratie bei Informationspflichten gelten unter anderem die Vorgaben zur allgemeinen Buchführung sowie Aufbewahrung von Rechnungen. Keine Exoten-Richtlinien also, sondern Unternehmensalltag. Unter dieser Last ächzen grundsätzlich alle Betriebe. Manche aber besonders, da sie – beispielsweise im Gesundheitsbereich – zusätzlich strenge Dokumentationspflichten speziell für ihre Tätigkeit erfüllen müssen. Die wachsende Bürokratie mache Ärzte krank, warnt der Berufsverband Freie Ärzteschaft. Sie entfremde Mediziner von ihrem Selbstverständnis und erhöhe das Risiko von psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen. Überbordender Papierkram, nicht erstattete Leistung, Zeitdruck, Überlastung – all das sollten Ärzte nicht hinnehmen, meint der Verband und fordert Bürokratieabbau.

Ärzte ver­ord­nen sich drin­gend Büro­kra­tieabbau

Mit Blick auf spezielle Dokumentations-, Informations-, Organisations- und sonstige Pflichten im Gesundheitsbereich rief ein Klinikkonzern nun den „Docu Day“ aus. Er weist – nach dem Vorbild des Steuerzahlergedenktags vom Bund der Steuerzahler – für Mediziner und Pflegekräfte auf deren ausufernde Dokumentationspflichten hin. Der Zeitanteil, den medizinisches Personal allein für Bürokratie aufwendet, ist hoch. 2019 fiel dieser Tag auf den 22. August. Seitdem arbeiten Pfleger im Schnitt rein rechnerisch nur noch fürs Papier. Ärzte sind rein statistisch sogar bereits seit dem 25. Juli ausschließlich mit Papierkram beschäftigt.

Doch der Bürokratieabbau bleibt eine Dauer­bau­stelle

Die Bundesregierung will den Papierberg seit Jahren abtragen. Ihre Mitglieder kündigen regelmäßig weiteren Bürokratieabbau an. Dabei soll unter anderem helfen, dass das Statistische Bundesamt akribisch den Anteil der Bürokratiekosten ermittelt. Zum Jahresende bekräftigten führende Politiker abermals, am Prinzip „One in, one out“ bei der Gesetzgebung festhalten zu wollen: Dabei schafft der Gesetzgeber für jede die Wirtschaft neu mit Bürokratie belastende Gesetzesänderung an anderer Stelle Entlastung. Viele Unternehmer allerdings sind von den Regierungsplänen nicht begeistert. Bei ihnen komme vom Bürokratieabbau wenig an, kritisiert etwa der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Von den postulierten Erfolgen sei kaum etwas zu spüren, zitiert die „Deutsche Handwerkszeitung“ ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) äußert Kritik. Zwar würden Entlastungen gemessen, aber dem stehe eine gefühlt weiter zunehmende Belastung der Wirtschaft gegenüber. Der versprochene Ausgleich von Belastungen durch Entlastungen funktioniere nicht ausreichend, hält der BDI fest. Bürokratieabbau bleibt also eine Dauerbaustelle.

Kür­zere Fristen und Ver­ein­heit­lichung für ech­ten Bürokratieabbau

Eine Umfrage des DIHK bei Unternehmen ergab kürzlich eine Top-Ten-Wunschliste der Wirtschaft zum Bürokratieabbau: Ganz oben stehen praxisnähere Vorgaben bei der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), Vereinfachungen bei Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten sowie kürzere Aufbewahrungsfristen kombiniert mit zeitnahen Betriebsprüfungen. Des Weiteren wünschen sich die Firmenchefs eine Harmonisierung von Handels- und Steuerrecht sowie von Sozialversicherung, Lohn- und Umsatzsteuerrecht. Und weniger Bürokratie bei Firmengründungen sowie Förderprogrammen. Konkrete und durchgerechnete Vorschläge kommen von iw Consult, der Beratungstochter des Instituts der Deutschen Wirtschaft (iw) in Köln. Eine Anhebung der Schwellenwerte bei der Buchführungspflicht von 60.000 auf 100.000 Euro Jahresgewinn beziehungsweise 600.000 Euro auf eine Million Euro Jahresumsatz würde vor allem kleinen Betrieben erheblich Kosten ersparen, die gesamte Wirtschaft bis über 3,2 Milliarden Euro entlasten . Kürzere Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege und andere steuerrelevante Unterlagen von fünf Jahren und dazu eine zeitnahe Betriebsprüfung könnten Bürokratiekosten bei Verwaltung und Unternehmen um 1,7 Milliarden Euro fast halbieren. 3,4 Millionen Unternehmen würden profitieren.

„Eine weitere Verzögerung des Bürokratieentlastungsgesetzes ist nicht länger hinnehmbar. Fakt ist, die Bemühungen der Bundesregierung kommen in der Praxis zu wenig an.“
Holger Schwannecke, ZDH-Generalsekretär

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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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