Buchführung & Bilanz

Fiskus könn­te neu­es In­stru­ment zur de fac­to Betriebsprüfung schaffen

Flan­ken­schutz­fahn­der ste­hen plötz­lich vor der Tür und wol­len of­fene Steu­er­fra­gen klä­ren. Das ist kei­ne Be­triebs­prü­fung im klas­sischen Sinn, aber ge­fähr­lich. Un­ter­neh­mer müs­sen drin­gend mit dem Steu­er­be­ra­ter klä­ren, wie sie in die­sem Fall rea­gier­en sollten.

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Schlechte Nachrichten für Unternehmer. Die Finanzverwaltung könnte neben Lohnsteuernachschau, Umsatzsteuernachschau sowie Kassennachschau verstärkt ein weiteres Instrument für eine Art unangekündigte Betriebsprüfung nutzen – Flankenschutzfahnder. Diese dürfen überraschend in der Firma oder Privatwohnung auftauchen, um vor Ort einen Sachverhalt aus den Steuerunterlagen zu klären, der ihnen komisch vorkommt. De facto ist das eine verdachtsunabhängige Ermittlung wegen Steuerhinterziehung – und durch die Abgabenordnung gedeckt. Es ist unter Experten aber auch höchst umstritten. Bereits 2013 rügten sie auf dem Steuerberatertag eine rechtsstaatlich bedenkliche Entwicklung: Die Zulässigkeit der Flankenschutzfahnder sei nicht gerichtlich geklärt, ihr Einsatz unverhältnismäßig und ohne hinreichende Anhaltspunkte für ein Strafverfahren. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), warnte 2012 davor, die Grenzen zwischen Steuervollzug und Strafverfolgung zu vermischen – und so Steuerbürger zu kriminalisieren. Nun könnte ein Urteil des Finanzgerichts Münster einem noch breiteren Einsatz von Flankenschutzfahndern den Weg ebnen. Es hat eine rechtliche Grauzone im Sinne der Finanzverwaltung geklärt.

Flan­ken­schutz­fahn­der macht de fac­to klei­ne Be­triebs­prüfung

Bekannt wurden die Flankenschutzfahnder 2004 durch das Aufdecken von Betrügereien bei der damals frisch abgeschafften Eigenheimzulage. Viele Bauherren wollten die Zulage retten, indem sie sich 2003 schon im neuen Heim anmeldeten – obwohl es nicht bezugsfertig war. Die Flankenschutzfahnder kamen zur Baustellenbesichtigung. Im vom Finanzgericht Münster verhandelten Fall besuchte der Flankenschutzfahnder unangekündigt eine Unternehmerin. Sie hatte ein häusliches Arbeitszimmer angesetzt, aber die vorgelegte Raumskizze warf Fragen auf. Der maschinenschriftliche Eintrag „Schlafen“ war handschriftlich durch „Arbeit“ ersetzt worden, ein Schlafbereich fehlte. Der Steuerbescheid, mit dem der Fiskus die Kosten akzeptiert hatte, stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – und plötzlich der Flankenschutzfahnder vor der Tür, natürlich nicht zur klassischen Betriebsprüfung. Die Frau erlaubte die Kontrolle mit dem Ergebnis, dass alles in Ordnung war. Aber sie reichte Einspruch und Klage gegen den Besuch ein. Ihr Vorwurf: die unangekündigte Ortsbesichtigung sei unverhältnismäßig gewesen. Sie habe sich unter Druck gesetzt und in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt gefühlt.

Der Flan­ken­schutz­fahn­der muss nicht rein­ge­las­sen werden

Die Finanzrichter stellten fest, dass die Voraussetzungen für eine Klage fehlten. Es gebe keinen Verwaltungsakt, gegen den sich Einspruch und Klage richten könnten: „Der – wie hier – unangekündigt erscheinende Finanzbeamte hat von Gesetzes wegen keine Zutrittsberechtigung; das Betreten der Wohnung kann von dem Steuerpflichtigen verweigert werden.“ Grund- und Persönlichkeitsrechte sahen die Richter somit nicht verletzt, schließlich habe die Frau dem Betreten der Räume zugestimmt. Ihr Argument, das Finanzamt habe darauf abgezielt, „mittels einer täuschungsähnlichen Überrumpelungssituation Zutritt zu erlangen“, zog nicht. Die Richter hoben hervor, sie hätten den Fall womöglich anders beurteilt, wenn das Finanzamt das Betreten von Grundstücken und Räumen nach § 99 Abs. 1 Satz 1 AO durch Erlass eines Duldungsbescheides angeordnet hätte. So einen formal anordnenden Bescheid habe es aber nicht gegeben – und somit nichts, wogegen sich Einspruch und Klage hätten richten können.

Mit Steuerberater den Unterschied zur Betriebsprüfung klären

Unternehmer stehen vor einem Dilemma. Die klassische Betriebsprüfung  folgt klaren Regeln. Was dann zu tun ist, sollte jeder Unternehmer mit dem Steuerberater geklärt haben. Man sollte sich dem Beamten gegenüber freundlich und kooperativ verhalten – aber ihn im Blick behalten und sofort den Steuerberater anrufen. Klar. Nach dem Münsteraner Urteil könnte nun der Einsatz der Flankenschutzfahnder zunehmen, deren Besuche ganz anderen Regeln gehorchen. Dass sie vermeintlich nicht überrumpeln, legt das Münsteraner Urteil nah – obwohl sie auf viele genau so wirken dürften: überrumpelnd und einschüchternd. Was also tun? Der Ton muss auch hier freundlich sein. Aber sollte man Flankenschutzfahnder einlassen, nachdem sie den konkreten Besuchsanlass erläutert haben? Dazu besteht keine Pflicht. Macht sich verdächtig, wer den Zutritt verwehrt? Dies sollten Unternehmer mit dem Steuerberater besprechen – auch, wie sie sich verhalten sollten, wenn der Flankenschutzfahnder kommt. Wie bei einer Betriebsprüfung sollten Flankenschutzfahnder nur aufnehmen, was für den zu klärenden Sachverhalt relevant sind.

Klei­ne of­fene Fra­gen als Grund die­ser Art der Be­triebs­prüfung

Der in Münster verhandelte Fall zeigt: Steuerfahnder können schon ausrücken, wenn es um relativ unverdächtige und unproblematische Fälle geht, etwa den Ansatz von Kosten für ein Arbeitszimmer. Und sie können schon bei offenen Fragen in der Steuererklärung mit einer de facto punktuellen Betriebsprüfung vor Ort starten. Selbst wenn gar kein handfester Verdacht auf Steuerhinterziehung vorliegt. Mit unangekündigtem Besuch vom Finanzamt sollten neben Unternehmern mit häuslichem Arbeitszimmer auch Vermieter rechnen, die Kosten für Bodenbeläge oder Ausstattung für teils privat, teils gewerblich genutzte Räumen geltend gemacht haben. Das beträfe zum Beispiel die vermietete Einliegerwohnung im Eigenheim oder bei Selbstständigen die geschäftlichen Räume im Eigenheim. Hier dürfte das Finanzamt womöglich nun öfter dem Verdacht nachgehen, dass geltend gemachte Kosten für Einbauten eigentlich den Privaträumen zugutegekommen sind.

Hinweis der Nachprüfung macht den Besuch wahrscheinlicher

Ganz wichtig: Alarmieren sollte Steuerzahler künftig der Vermerk auf Vorläufigkeit ihres Steuerbescheids nach Paragraph 164 AO. Diesen hatte das Finanzamt kurz vor dem Besuch des Steuerfahnders ja auch in dem Münsteraner Fall unter den Steuerbescheid der unterlegenen Klägerin gesetzt. Der Vermerk gilt von jeher als Frühwarnsignal für eine anstehende Betriebsprüfung. Unternehmer sollten ihn künftig zum Anlass nehmen, sofort über möglicherweise offene Fragen zur Steuerveranlagung mit ihrem Steuerberater zu sprechen. Er weiß einzuschätzen, ob es sinnvoll ist, etwaige Unklarheiten gleich von sich aus auszuräumen – Anlass für den Besuch des Flankenschutzfahnders war in dem Fall ja ein offensichtlicher Fehler in einer dem Finanzamt vorgelegten Skizze. Spätestens bei so einer Besprechung kann auch das richtige Verhalten mit Blick auf einen möglichen Besuch eines Flankenschutzfahnders thematisiert werden. So sind Unternehmer besser auf den Fall der Fälle vorbereitet – wie hoffentlich auch schon länger auf eine klassische Betriebsprüfung.

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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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