Sie kennen sicher den Unterschied zwischen „formal“ und „real“. Auf dem Papier steht, was einmal geplant war. In Wirklichkeit aber läuft die Sache aus nachvollziehbaren Gründen dann ganz anders und sehr gut. Bestes Beispiel: interne Prozesse, die sich mit der Zeit an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, ohne jemals neu beschrieben zu werden. Dumm nur, wenn Probleme auftauchen und dann „formal“ und „real“ aus rechtlicher Sicht wichtig sind. Gar nicht so selten passiert das, wenn Unternehmen in Schieflage geraten und die Frage aufkommt, wer beispielsweise für Fehlverhalten haftet. Sicher der formal eingetragene Geschäftsführer – aber was ist mit seiner rechten Hand, einem leitenden Angestellten mit weitreichenden Handlungsbefugnissen? Die Frage der Haftung der Geschäftsführer sollte unbedingt mit einem Anwalt besprochen werden.
Für Haftung als Geschäftsführer reichen schon wenige Kriterien
Gerade in kleinen Betrieben oder in stark expandierenden Neugründungen, wo das Team per Du ist und jeder jeden unterstützt, bilden sich leicht informelle Strukturen, die dann in der Realität für einige der handelnden Personen zu unerwarteten Schwierigkeiten führen. So geschehen in einem vom Landgericht Hannover entschiedenen Fall, in dem es um Insolvenzverschleppung und damit die persönliche Haftung nicht nur des eingetragenen, sondern auch des faktischen Geschäftsführers ging. Als solcher gilt gemeinhin, wer folgende vier Kriterien erfüllt: Er beeinflusst die Unternehmenspolitik, stellt Personal ein, verhandelt mit Vertragspartnern und Kreditgebern, entscheidet in Steuerangelegenheiten und Buchführung. In diesem Fall urteilten die Richter aber, der Angestellte könne wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen werden, obwohl auf ihn nur zwei Kriterien zutrafen. Ihnen reichten die Einstellungsbefugnis sowie sein Auftreten bei der Geschäftsbank seines Arbeitgebers, um ihn als faktischen Geschäftsführer anzusehen, für den dieselben Pflichten gelten, die auch dem ordentlichen Geschäftsführer per Gesetz und Rechtsprechung auferlegt sind.
Status von Ehepartner und Angestellten sowie D&O prüfen
Damit hat das Landgericht Hannover die Anforderungen an die Haftbarkeit gelockert. Das ist für Gläubiger ein gute Nachricht, für viele inoffizielle Mit-Geschäftsführer aber eine Hiobsbotschaft. Zwar handelt es sich um keine höchstrichterliche Entscheidung, vor anderen Gerichten könnten ähnliche Fälle mit einem anderen Urteil enden. Unternehmer selbst müssen sich des Haftungsrisikos sowieso stets bewusst sein. Nun sollten sie dieses Urteil zum Anlass nehmen, sich kritisch noch mal mit dem Thema Haftung für Geschäftsführer zu beschäftigen – und mit ihrem Anwalt klären, ob eventuell enge Mitarbeiter in ähnlichen Fällen als faktische Geschäftsführer in die Pflicht genommen werden könnten. In dieses Gespräch gehört auch die Frage, was gilt, wenn formal der Ehepartner oder jemand anders die Geschäfte führt. Und ob die Absicherung etwa über eine D&O-Police sinnvoll wäre.
Mitgeschäftsführer haften längst gesamtschuldnerisch
Bei einer aus mehreren Mitgliedern bestehenden Geschäftsführung gehört zudem noch das Thema der gesamtschuldnerischen Mithaftung auf die Tagesordnung. Gerade bei Gläubigern wie dem Finanzamt kann es für nicht direkt verantwortliche Geschäftsführer schon jetzt höchst unangenehm werden. Hat der Fiskus mehrere Schuldner zur Auswahl, hält er sich üblicherweise an den aus seiner Sicht aussichtsreichsten. Dieser muss dann anschließend seine Ansprüche gegen die Mitgeschäftsführer durchsetzen. Höchst unerfreulich und sicher auch eine Frage für den Anwalt – zumal es in dieser Frage keine Standardlösung oder -antwort gibt.