Organisation & Management

Betriebliches Eingliederungs­manage­ment senkt Fehltage

Lang­zeit­kranke kos­ten Ar­beit­ge­ber viel Geld. Das Be­trieb­li­che Eingliederungsmanagement (BEM) hilft ih­nen, wie­der in den Job zu­rück­zu­keh­ren. Oft las­sen sich da­mit krank­heits­be­ding­te Kün­di­gungen ver­mei­den, Fehl­zei­ten re­du­zieren und Fach­kräf­te im Un­ter­neh­men hal­ten.

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Erkranken Beschäftigte über einen längeren Zeitraum hinweg, steigt die Arbeitsbelastung im restlichen Team. Außerdem kostet jeder Fehltag das Unternehmen viel Geld. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) kann helfen, die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen wiederherzustellen und ihren Wiedereinstieg in den Job zu erleichtern. Summieren sich die krankheitsbedingten Fehlzeiten innerhalb eines Jahres auf über sechs Wochen, sind Arbeitgeber sogar in der Pflicht. Sie müssen Kontakt mit dem oder der Erkrankten aufnehmen und Hilfe anbieten, um eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement dient dem klaren Ziel, krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Funktioniert das BEM, profitieren beide Seiten: Die Beschäftigten fühlen sich wertgeschätzt und kehren motiviert an ihren Arbeitsplatz zurück. Dem Unternehmen bleiben langjährige, erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erhalten. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement soll auch künftigen Erkrankungen vorbeugen und Fehlzeiten reduzieren. Für Arbeitgeber rechnet sich das BEM. Allein die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kostete sie 2019 rund 67,2 Milliarden Euro, schätzt das Institut für Wirtschaft.

Betriebliches Eingliederungsmanagement ist ge­setz­liche Pflicht

2019 haben sich durchschnittlich 4,4 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krank gemeldet. Der BKK Dachverband zählte 1.845 Krankentage pro 100 Beschäftigte. Über vier Prozent der Erkrankten fielen sogar länger als sechs Wochen aus. Diesen Personen müssen die Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten. Seit 2004 ist das BEM gesetzliche Pflicht für alle Betriebe, egal ob Klein- oder Großunternehmen. Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig waren, haben Anspruch auf Unterstützung. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement soll Langzeitkranke durch gezielte Hilfen wieder in den Arbeitsprozess integrieren. Dies gilt für alle Arbeitnehmer: Festangestellte, Führungskräfte, Auszubildende, Teilzeitkräfte sowie befristet Beschäftigte. Ziel des BEM ist es, gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln, die den Betroffenen helfen, ihre Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen und weiteren Erkrankungen vorzubeugen. Die Initiative dazu muss immer vom Chef ausgehen. Er lädt zum BEM-Gespräch ein. Erkrankte dürfen die Teilnahme allerdings ablehnen. Für sie ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagement freiwillig, für Arbeitgeber hingegen verpflichtend.

Ent­las­sung ver­mei­den: Mit dem BEM zu­rück in den Job

Sind Beschäftigte oft oder länger krank, sorgt das meist für Ärger. Mancher Chef liebäugelt dann sogar damit, eine Kündigung auszusprechen. Der Gesetzgeber schreibt deshalb zwingend ein Betriebliches Eingliederungsmanagement vor. Dessen erklärtes Ziel ist es, das Arbeitsverhältnis fortzuführen und Langzeitkranken den Weg zurück in den Job zu ebnen. Arbeitgeber sollten diese Verpflichtung unbedingt ernst nehmen und alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin weiter zu beschäftigen. Auch eine mögliche Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz ist zu prüfen. Bieten Unternehmen kein Betriebliches Eingliederungsmanagement an oder suchen sie nicht wirklich Lösungen, manövrieren sie sich juristisch ins Abseits. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist ohne ernsthafte Bemühungen um mildere Maßnahmen, wie es das BEM vorsieht, meist unverhältnismäßig. Unternehmen müssen nämlich nachweisen, dass sie alle Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung geprüft haben. Deshalb sind Mitarbeitergespräche und vereinbarte BEM-Maßnahmen genau zu dokumentieren und archivieren. Ohne Betriebliches Eingliederungsmanagement ist eine Kündigung in jedem Fall unwirksam, so das Arbeitsgericht Hamburg (Az.4Ca195/17).

Be­trieb­liche Ur­sachen ei­ner Er­kran­kung be­sei­ti­gen

Mitunter macht auch die Arbeit selbst krank. Daher muss ein Betriebliches Ein­glie­derungs­manage­ment die allgemeinen Ar­beits­be­dingungen im Betrieb ebenso kritisch prüfen wie das direkte Arbeitsumfeld. Dies verlangt übrigens auch schon das Arbeits­schutz­gesetz. Darum sind Unternehmen generell verpflichtet, eine Ge­fährdungs­beurteilung zu erstellen und daraus Maßnahmen zur Arbeitssicherheit abzuleiten. Mögliche betriebliche Ursachen einer Erkrankung sind auch im Rahmen des BEM zu besprechen und zu beseitigen. Dazu zählen unter anderem:

  • Fehl- oder Überlastungen am Arbeitsplatz
  • Ärger in der Abteilung oder mit dem Vorgesetzten
  • unklare Vorgaben
  • psychischer Stress und Mobbing
  • häufige Überstunden und hoher Zeitdruck
  • mangelnde Qualifizierung für die Aufgabe
  • fehlende Einarbeitung
  • schwere oder einseitige körperliche Arbeiten
  • Schichtarbeit
  • keine oder zu kurze Pausen

BEM: Psychische Krankheiten verursachen lange Fehlzeiten

Besonders die psychische Gesundheit ihrer Beschäftigten sollten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Blick haben. Neben Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems sind vor allem psychische Störungen für längere Krankschreibungen verantwortlich. Jährlich lassen sich 310 Krankentage pro 100 Beschäftigte auf Depressionen, Angststörungen und Burnout zurückführen, meldet der BKK Dachverband. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement sollte hier tragfähige Lösungen suchen, denn meist sind die Betroffenen sechs Wochen und länger arbeitsunfähig. Häufig spielen betriebliche Ursachen eine Rolle. Das BEM muss daher für ein stressfreies Arbeitsumfeld sorgen und in die Burnout-Prävention investieren.

Betriebliches Eingliederungsmanagement braucht Ver­trau­en

Damit Betriebliches Eingliederungsmanagement zum Erfolg führt, brauchen Arbeitgeber das Vertrauen der Betroffenen. Ohne die Zustimmung und Kooperation der oder des Erkrankten lässt sich eine Wiedereingliederung in den Job nicht bewerkstelligen. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen an einem Strang ziehen. Da die Teilnahme freiwillig ist, sollten Arbeitgeber die Betroffenen umfassend über Ziele, Beteiligte sowie den Ablauf des BEM informieren. Viele Langzeitkranke haben Angst um ihren Job. Diese Sorge sollten Arbeitgeber ihnen nehmen und klarmachen, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement dazu dient, den Arbeitsplatz zu sichern. Lehnen Beschäftigte eine Teilnahme am BEM dennoch ab, darf ihnen daraus aber kein Nachteil entstehen. Damit kranke Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement eine Chance sehen, sollte eine Vertrauensperson den BEM-Prozess begleiten. Ist der Personalchef für das BEM verantwortlich, geht dies oft schief, da Betroffene sich Vorgesetzten gegenüber nicht öffnen. Der oder die BEM-Beauftragte muss das Vertrauen der Belegschaft genießen und ein gutes Standing in der Firma haben.

BEM in der Praxis: Auf Schutz der Da­ten kommt es an

Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement funktioniert nur, wenn BEM-Verantwortliche mit der Führungsebene auf Augenhöhe reden können. Schließlich geht es darum, konkrete Hilfen für erkrankte Beschäftigte durchzusetzen, die auch Geld kosten können. Ungeduldige Chefs, die Druck machen, untergraben hingegen die Zielsetzung des BEM. Damit Betroffene schneller wieder in den Job zurückfinden und gesund bleiben, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten. Es gilt, gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln, die helfen. Das gelingt aber nur mit Vertrauen und der Gewissheit, dass Unternehmen den Datenschutz ernst nehmen. Alle im Rahmen des BEM erhobenen Daten sind absolut vertraulich zu behandeln und dürfen Dritten nicht zugänglich sein. Wichtig zu wissen: Erkrankte Beschäftigte müssen keine medizinischen Diagnosen offenlegen, und ohne ihre Zustimmung dürfen Arbeitgeber auch keine BEM-Akte anlegen. Geben Mitarbeiter oder Mitarbeiterin ihr schriftliches Einverständnis, gelten für das Betriebliche Eingliederungsmanagement zwingend die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen. So sind Personal- und BEM-Akte immer strikt getrennt voneinander aufzubewahren und vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen.

Wel­che BEM-Maß­nah­men die Ar­beits­fähig­keit er­hal­ten

Damit Langzeiterkrankte ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangen und möglichst gesund bleiben, braucht es geeignete Hilfen. Diese sind im Rahmen des BEM-Prozesses gemeinsam zu entwickeln und zu dokumentieren. Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement ist umso effektiver, je mehr Expertise mit am Tisch sitzt. Gibt es betriebliche Ursachen für die Erkrankung, ist es meist sinnvoll, den Betriebsrat in die Gespräche einzubeziehen. Auch der Betriebsarzt kann helfen, geeignete BEM-Maßnahmen zu finden, die Kranken den Wiedereinstieg erleichtern. Diese müssen damit jedoch einverstanden sein. Gegen den Willen der Betroffenen dürfen Arbeitgeber nichts durchsetzen. Erprobte BEM-Maßnahmen sind zum Beispiel:

  • Umrüstung des Arbeitsplatzes und Ausstattung mit Hilfsmitteln: Ergonomischer Stuhl, höhenverstellbarer Schreibtisch, Hebehilfen, Türöffner, bauliche Maßnahmen.
  • Anpassung von Arbeitszeit und Aufgaben: Stufenweise Wiedereingliederung, befristete Befreiung von der Schichtarbeit, Teilzeitregelungen, längere Pausenzeiten, Homeoffice, Jobsharing, einzelne Urlaubstage, Teilzeit mit Erwerbsminderung, Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, Umschulung und Qualifizierung.
  • Maßnahmen zur Gesundheitsförderung: Reha, Therapien, betriebliches Gesundheitsmanagement, Physiotherapie, Reha-Sport, Rückenschule, Stressmanagement, Coaching, Mediation.
  • Stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell): Erkrankte kehren stundenweise in den Job zurück. Die Arbeitsbelastung steigt unter ärztlicher Aufsicht langsam an. Beschäftigte sind in dieser Zeit weiterhin krankgeschrieben. Sie erhalten Krankengeld von der Krankenkasse oder Übergangsgeld vom zuständigen Rehabilitationsträger.

Datev Trialog Grafik Kranhkeitsbedingte Kuendigung Kosten Entgeltfortzahlung 2010 2012 2014 2016 2018 Bruttoentgelt Sozialversicherungsbeitrag Arbeitgeber

Zu­schüs­se für das BEM: Fin­an­ziel­le Hil­fen be­an­tra­gen

Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement führt zum Erfolg, wenn Chefs die Rah­menbe­dingungen so gestalten, dass Beschäftigte mehr für ihre Gesundheit tun können. Dazu braucht es vor allem flexiblere Arbeits- und Pausenzeiten. So ergänzen sich vereinbarte BEM-Maßnahmen und die betriebliche Gesundheitsvorsorge sinnvoll. Wenn Betroffene wegen ihrer Erkrankung nicht an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren können, kommt auch eine Umschulung oder Qualifizierung in Frage. Deren Kosten übernimmt oft die Agentur für Arbeit, wenn der Betrieb eine Beschäftigungsgarantie von mindestens zwei Jahren gibt. Finanzielle Hilfen und Zuschüsse für BEM-Maßnahmen gibt es auch von den Reha-Trägern:

  • Rentenversicherung: Ausgestaltung des individuellen Arbeitsplatzes
  • Berufsgenossenschaft: zuständig für Wege- und Arbeitsunfälle
  • Integrationsämter: Zuschüsse für bauliche Maßnahmen, Hebehilfen oder Arbeitsassistenz

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Wie Fir­men pro­fi­tie­ren

Kranke Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind teuer. Unternehmen müssen bis zu 42 Tage den Lohn weiterzahlen, während die Arbeitskraft im Betrieb fehlt. Ein Betrieb­liches Ein­glie­derungs­management ist daher auch im Interesse der Arbeitgeber. Hilfen im Rahmen des BEM, die eine Rückkehr in den Job erleichtern und die Gesundheit fördern, sind also gut investiertes Geld. Die finanziellen Belastungen durch Lohnfortzahlung, Überstundenvergütungen, Ersatzpersonal oder Produktionsausfälle dürften deutlich höher ausfallen. Ein wirksames BEM kann diese Belastungen mindern, weil es erkrankte Beschäftigte schneller wieder in den Arbeitsprozess integriert. Außerdem ist es gerade für Mittelständler wichtig, erfahrene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Unternehmen zu halten. Kümmern sie sich um die Gesundheit ihrer Belegschaft, trägt dies zu einem guten Betriebsklima bei. Erkrankte fühlen sich wert geschätzt und kehren schneller wieder an den  Arbeitsplatz zurück. Ein gut funktionierendes Betriebliches Eingliederungsmanagement stärkt damit die Bindung ans Unternehmen und sichert so wichtiges Know-how.

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Sigrun an der Heiden

ist selbstständige Wirtschaftsredakteurin. Die vermeintlich trockenen Themen wie Steuern, Finanzen und Recht sind ihr Steckenpferd. Sie schreibt für verschiedene Wirtschafts- und Unternehmermagazine sowie Kundenzeitschriften zu den Themen Mittelstand, Steuern und Finanzen, Recht, Nachfolge, Sanierung, Unternehmensführung, Personal, Betriebliche Altersvorsorge sowie Transport und Logistik. Zuvor arbeitete sie als Ressortleiterin bei diversen Unternehmermagazinen, unter anderem „Markt und Mittelstand“.

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