Marketing & Vertrieb

Beschwerdemanagement nicht auf ein Formular für Kunden beschränken

Gu­tes Be­schwer­de­ma­na­ge­ment ist mehr als ein For­mu­lar für Kun­den­be­schwer­den mit dem pas­sen­den Ab­lauf. Es soll­te al­le Kon­takt­punk­te er­fas­sen: Bei je­der Be­rüh­rung mit Au­ßen­ste­hen­den kann man Feh­ler ma­chen – und mit der rich­ti­gen Reak­tion das Image po­lieren.

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Sie fallen zunehmend im Straßenverkehr auf: Transporter oder wendige Stadtflitzer diverser Unternehmen mit der Aufschrift „Wie ist mein Fahrstil?“ sowie einer Telefonnummer – bei Kritik anrufen. Nach gängiger betriebswirtschaftlicher Definition dient das Beschwerdemanagement zwar insbesondere dazu, leistungsbezogene Kundenbeschwerden zu beantworten. Doch diese Fahrzeuge sind rollende Beispiele dafür, dass viele Unternehmen weitergehend am eigenen Image arbeiten. Deshalb beschränken sie ihre Reaktionen auf Kundenbeschwerden – und damit ihr Beschwerdemanagement – nicht mehr auf ein Formular zur Kritik an ihren Angeboten sowie einen darauf abgestimmten Ablauf im Beschwerdemanagementprozess – ihre Ziele sind breiter. Ins Blickfeld rückt jeder Berührungspunkt des Unternehmens mit der Außenwelt. Neben Kunden, Lieferanten und Bewerbern mitunter sogar die gesamte interessierte Öffentlichkeit. Das Firmenimage in allen Lebenslagen zu pflegen bedeutet, als Unternehmerin oder Unternehmer in Vertrauen zu investieren. Dies zahlt sich erfahrungsgemäß aus, sobald tatsächlich etwas schiefläuft. Beispiele für das richtige Beschwerdemanagement bei Kundenbeschwerden liefern dabei Anregungen auch zum Umgang mit Beschwerden von Außenstehenden.

Beschwerdemanagement: Per Definition für Kundenbeschwerden

Ziele beim Beschwerdemanagement auf alle Kontakte ausweiten

Durchdachter Beschwerdemanagementprozess stärkt die Marke

Bei Kundenbeschwerden über gesetzliche Pflichten hinausgehen

Online oder stationär: Die Regeln für das Beschwerdemanagement

Bei Kundenbeschwerden auch an gütliche Lösungen denken

Beschwerdemanagement: Per Definition für Kundenbeschwerden

Beim Beschwerdemanagement denken viele Unternehmerinnen oder Unternehmer zunächst an angebotsbezogene Beschwerden von Kunden. Tatsächlich dreht sich die betriebswirtschaftliche Definition von Beschwerdemanagement überwiegend darum. DIN ISO 10002:2019-07 – die Fortentwicklung der seit 2005 bestehenden Norm, die den Beschwerdemanagementprozess definiert – läuft unter dem Titel „Qualitätsmanagement – Kundenzufriedenheit – Leitfaden für die Reklamationsbearbeitung in Organisationen“. Und natürlich: Wer als Unternehmerin oder Unternehmer bei Kunden punkten will, sollte ihnen nach dem Kauf mit Rat und Tat zur Seite stehen. Die schnelle, freundliche sowie nötigenfalls kulante Reaktion gerade auf kritisches Feedback im Umgang mit Beschwerden von Kunden ist wichtig. In der persönlichen Erfahrung gibt es sicher gute Beispiele für ein wirkungsvolles Beschwerdemanagement. Aber es gilt, beim Beschwerdemanagement weiter zu denken als bis zum ins letzte Formular optimierten Ablauf für reine Kundenbeschwerden. Das Beschwerdemanagement kann und sollte mit Blick auf alle Berührungspunkte am Markt auf mehr Personengruppen erweitert werden und dem Erreichen zusätzlicher Ziele dienen, etwa der allgemeinen Imagepflege.

Ziele beim Beschwerdemanagement auf alle Kontakte ausweiten

Beschwerdemanagement sollte mehr sein, als der Umgang mit Beschwerden von Kunden. Das zeigen Beispiele wie die Aufforderungen zu Kundenbeschwerden – oder Lob – zum Fahrstil über die auf dem Firmenfahrzeug stehenden Telefonnummer. In einer schwierigen Situation einen guten Eindruck hinterlassen können Unternehmen auch bei Berührungspunkten mit Lieferanten, Bewerbern, Verkehrsteilnehmern. All diese Gruppen berichten eventuell hier und da über positive oder negative Kontakte, was das Firmenimage beeinflusst. Darum hat sich im Marketing das Konzept sogenannter Touchpoints – auf Deutsch Kundenkontaktpunkte – etabliert.

Die Verantwortlichen sollten nicht nur an direkte Touchpoints denken, etwa das Geschäft, das Bürogebäude, den Onlineshop, Werbung, die Messe oder auch das Fahrverhalten der Beschäftigten in Firmenwagen mit Unternehmensschriftzug. Auch indirekte Touchpoints wie der Austausch über Social Media oder Onlinebewertungen sind Beispiele für ein erweitertes Konzept von Beschwerdemanagement über die klassische betriebswirtschaftliche Definition hinaus das Ziele verfolgt, die der Imagepflege oder Kundenbindung dienen. Jedes Unternehmen dürfte Themen finden, für die sich ein entsprechender Beschwerdemanagementprozess anbietet.

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Der richtige Umgang mit Beschwerden nicht nur von Kunden

Sämtliche für das Unternehmen relevanten Berührungspunkte beziehungsweise Touchpoints sollten ins Beschwerdemanagement integriert sein. Sich Beispiele und Vorgaben zum guten Umgang mit Kundenbeschwerden beim Beschwerdemanagement als Vorbild zu nehmen, ist sinnvoll. Die in der DIN-Norm für den Beschwerdemanagementprozess genannten Verhaltensprinzipien wie Transparenz, Integrität, Verantwortlichkeit oder auch Aufgeschlossenheit und einige mehr bleiben genauso richtig, wenn es um Beschwerden von jenen geht, die nicht Kunden sind. Wie bei Kundenbeschwerden gilt ganz generell, also auch im Umgang mit Beschwerden von Lieferanten, potenziellen Bewerbern oder außenstehenden Dritten: Unternehmen, die sich in einer schwierigen Situation oder gegenüber Kritik durch Freundlichkeit und Kulanz auszeichnen, machen einen umso besseren Eindruck – nicht nur beim zahlenden Kunden. Zufriedenstellende Reaktionen auf Kundenbeschwerden haben immer auch mit Pflege der Beziehung zu Kunden und Interessenten zu tun. Die Frage „Wie ist mein Fahrstil“ etwa enthält neben der Bereitschaft zum Beschwerdemanagement zugleich die Botschaft: „Wir nehmen Sie und Ihre Belange überall und rundum wichtig.“

Durchdachter Beschwerdemanagementprozess stärkt die Marke

Ganzheitlich ans Thema Beschwerdemanagement heranzugehen bedeutet also viel mehr, als nur den Umgang mit Beschwerden von Kunden zu planen. Ein gutes Beschwerdemanagement geht über das verständliche Formular und den durchdachten Ablauf hinaus. Letztlich hat es mit dem Selbstverständnis eines Unternehmens und dessen Markenpflege zu tun – unabhängig davon, ob die Zielgruppe nun Privat- oder Geschäftskunden sind, egal um welche Angebote oder Kanäle es geht. Damit ist klar, dass ein derart umfassend angelegtes Beschwerdemanagement insgesamt – und natürlich auch der Beschwerdemanagementprozess selbst – höchste strategische Bedeutung hat, also Geschäftsleitungssache sein sollte. Ein so verstandenes Beschwerdemanagement schafft mehr Vertrauen über den Kreis der direkten Kunden hinaus und verstärkt auch ein positives Firmenimage. Das wiederum wirkt dann nach innen, indem es die Zufriedenheit und Motivation der Beschäftigten steigert. In diesem Sinne finden sich Corporate Influencer, die auf menschlichem Weg eine positive Markenbotschaft transportieren, nicht nur in Social Media, sondern auch hinter dem Steuer des Lieferwagens.

Bei Kundenbeschwerden über gesetzliche Pflichten hinausgehen

Über diese strategischen Fragen zum Beschwerdemanagement dürfen Unternehmen nicht die gesetzlichen Pflichten im Umgang mit Beschwerden von Kunden vernachlässigen. Bei Kundenbeschwerden sind diverse rechtliche Vorgaben zu beachten. Raum für die breitere Strategie zum Beschwerdemanagement bleibt aber auch hier, wie Beispiele zeigen. Haben Unternehmen etwa eine fehlerfreie Ware geliefert, müssen sie diese nur zurücknehmen, falls die Reklamation oder Kundenbeschwerde auf einem echten Mangel beruht. Die Firmenleitung könnte aber in Absprache mit der Rechtsanwaltskanzlei klären, ob oder in welchem Umfang sie im Beschwerdemanagementprozess – stets abhängig von Branche und Zielgruppe sowie Art und Wert der Waren – ein erweitertes freiwilliges Umtausch- oder Rückgaberecht verankern. Mit diesem ließen sich durch mehr Kulanz im Beschwerdemanagement auch Ziele wie eine stärkere Kundenbindung oder besseres Firmenimage erreichen. Mit Fachleuten wären neben dem passenden Formular und dem richtigen Ablauf auch Formulierungen zu Ausnahmen von Kulanzregeln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) festzulegen. Und die geeigneten Wege, auf diese Besonderheiten hinzuweisen.

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Online gelten mehr Regeln für das Beschwerdemanagement

Im Onlinehandel sowie bei Haustürgeschäften ist Kulanz beim Umgang mit Beschwerden von Kunden in gewissem Umfang prinzipiell unabdingbar. Hier genießen Kundinnen und Kunden ein generelles Widerrufsrecht von 14 Tagen. Begründen müssen sie die gewünschte Rückgabe nicht, eventuell aber die Kosten der Rücksendung tragen. Was für Teilrückgaben gilt, sollten Unternehmerinnen und Unternehmer zumindest bei großen Sendungen und teurem Versand mit der Rechtsanwaltskanzlei klären. Die prüft auch, ob der Hinweis auf das Widerrufsrecht wasserdicht ist. Passieren hier Fehler, startet die Frist womöglich nicht. Kunden könnten dann schlimmstenfalls Jahre später von Verträgen zurücktreten. Bei Kundenbeschwerden wegen fehlerhafter oder falscher Ware müssen Unternehmen auf Wunsch den Kaufpreis inklusive Versandkosten für die günstigste Versandart erstatten.

Eine zusätzliche übersichtliche Liste mit Standardfragen zum Ablauf beim Beschwerdemanagement, sogenannte FAQs, und ein einfach auszufüllendes Formular können den Beschwerdemanagementprozess vereinfachen und zumindest teilweise automatisieren. Obligatorische Angaben auf einer Internetseite sind unter anderem das Impressum samt Kontaktdaten, Datenschutzerklärung und gegebenenfalls die AGB – diese müssen natürlich auch stets aktuell sein, damit das Beschwerdemanagement glatt laufen kann.

Kundenbeschwerden rund um die Sicherheit sind stets kritisch

Das Recht auf Kundenbeschwerden kennt aber beim Beschwerdemanagement im Rahmen der klassischen betriebswirtschaftlichen Definition bestimmte rechtliche Grenzen. Kunden dürfen die Ware innerhalb der 14-tägigen Widerrufsfrist zwar testen, nicht aber umfassend benutzen. Erlaubt ist nur, „Eigenschaften und Funktionsweise“ zu überprüfen, wie es im Laden möglich wäre, meint der Bundesgerichtshof. Mehr Rechte als beim Kauf im Geschäft müssen Unternehmen ihrer Kundschaft beim Beschwerdemanagement online nicht zugestehen. Für beschädigt zurückgegebene Ware schulden Händler zudem nicht den vollen Kaufpreis, so das Gericht im Fall eines online erworbenen Katalysators. Die deutlichen Gebrauchsspuren nach einer Probefahrt mit dem Bauteil seien bei der Rückgabe nicht hinzunehmen, meint der BGH. Eine solche Ingebrauchnahme gehe nämlich weit über die Testmöglichkeiten im Geschäft hinaus. Im Beschwerdemanagementprozess sollten solche Aspekte beachtet werden, wenn etwa per innerbetrieblichem Formular der konkrete Ablauf für das Beschwerdemanagement festgehalten wird, damit die Beschäftigten die einzelnen Schritte kennen und Vorgaben für das Kundengespräch haben.

Umgang mit Beschwerden muss stets umsichtig sein

Trotz solcher Urteile sollten Unternehmerinnen und Unternehmer vorsichtig im Umgang mit Beschwerden von Kunden bleiben. Die Rechtsprechung ist nämlich grundsätzlich sehr verbraucherfreundlich. So urteilte der BGH im Fall einer Gebrauchtwagenreklamation: Tritt in den ersten sechs Monaten nach Kauf ein Mangel auf, müssen Händlerinnen und Händler bei Kundenbeschwerden belegen, dass er zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht existiert hat. Seit diesem höchstrichterlichen Urteil gehen Zweifel grundsätzlich zu ihren Lasten. Ist die Ursache für einen Mangel in dieser Sechsmonatsfrist nicht eindeutig zu klären, haftet das Unternehmen. Im konkreten Fall ging es um eine Kupplung. In einem ähnlichen Prozess meinte das Gericht, ein Händler dürfe Kunden bei nur sporadisch auftauchenden Mängeln nicht einfach wegschicken, sondern müsse den Sachverhalt sofort umfassend klären. Deshalb durfte der Käufer unverzüglich vom Kaufvertrag zurücktreten. Außerordentliche Vorsicht ist im Beschwerdemanagement insbesondere bei solchen sicherheitsrelevanten Mängeln angebracht – weil damit selbst bei verantwortungsvoller Nutzung eines Produktes die Sicherheit nicht gewährleistet ist.

Bei Kundenbeschwerden auch an gütliche Lösungen denken

Kulanz sollte mit Blick auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung einen festen Platz im Beschwerdemanagement haben. Und nicht nur Sicherheit ist in jeder Geschäftsbeziehung ein wichtiger Aspekt. Der BGH hat auch hinsichtlich geringfügiger Schäden kundenfreundlich geurteilt. So gewährte er in einem Fall dem Käufer ein vollständiges Zurückbehaltungsrecht für den Kaufpreis eines Neuwagens mit geringfügigen Lackkratzern. Der Forderung des Verkäufers, die Transportkosten für Rückholung und Wiederauslieferung ersetzt zu bekommen sowie ein Standgeld oder Verzugszinsen auf den Kaufpreis zu erhalten, wurde abgewiesen. Der Händler hatte 1.138,64 Euro gefordert – und war durch alle Instanzen unterlegen. Geht es bei Kundenbeschwerden um teure Gewährleistungsansprüche, sollten Unternehmen sich daher besonders intensiv mit ihrer Rechtsanwaltskanzlei beraten. Vielleicht eignet sich eine Schlichtung oder Mediation, um Meinungsverschiedenheiten ohne Prozess zu lösen. Rechtsschutzversicherungen empfehlen dies, da es normalerweise billiger ist, aber gütliche Einigungen können auch das Firmenimage aufpolieren. Mediationsverfahren haben eine Erfolgsquote von rund 80 Prozent – erfordern aber auch einen gewissen Aufwand.

Checkliste Beschwerdemanagement
Diese Punkte sollten sie beachten

Wer als Unternehmer bei seinen Auftraggebern oder Abnehmern punkten will, sollte ihnen möglichst umfassend mit Rat und Tat zur Seite stehen. Mit einem gut durchdachten Reklamationsmanagement lassen sich Kunden genau dann begeistern, wenn die Ge­schäftsbeziehung durch ein Problem auf eine Probe gestellt wird. Dabei gilt es aber einige Punkte zu beachten – siehe Checkliste für durchdachtes Beschwerdemanagement.

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Midia Nuri

ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt vor allem über nutzwertige Unternehmerthemen rund um Betriebsführung oder auch Finanzielles und Steuerliches für verschiedene Branchenzeitschriften, wie etwa den kfz-Betrieb, Die Fleischerei, Der Freie Zahnarzt, Fahrzeug + Karosserie oder auch etwa Das Dachdeckerhandwerk. Außerdem ist sie Chefredakteurin eines Newsletters von BWRMed!a zum Thema Steuern und Bilanzierung. Zu Steuer- und Finanzthemen bloggt und twittert sie derzeit sporadisch unter lady-godiva-blog.de und twitter.com/LadyGodivaBlog.

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