Kolumne

Freiraum für souveräne Partner

Wie Europa digital souveräner werden kann – darüber habe ich im Videocast „Freiraum 25“ mit der Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer, gesprochen.

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Europa läuft Gefahr, perspektivisch ein Museum für asiatische und amerikanische Touristen zu werden. Diese Wortwahl mag auf den ersten Blick hart wirken. Aber Fakt ist, dass die deutsche und auch die europäische Wirtschaft insgesamt in der Digitalisierung hinterherhinkt und zu abhängig von Technologien aus den USA und China ist. Darüber herrscht auch in deutschen Unternehmen Einigkeit. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom halten 81 Prozent der befragten Unternehmen die hiesige Wirtschaft für zu abhängig vom Import digitaler Technologien, Dienstleistungen und Expertise.

Erschreckend ist: Lediglich 13 Prozent der Firmen gaben an, dass sie länger als zwei Jahre überleben könnten, wenn diese Digital-Importe plötzlich wegfielen. Umso wichtiger ist es also, mehr digitale Souveränität zu erlangen. Was aber bedeutet digitale Souveränität? Über diese Frage habe ich im Videocast „Freiraum 25“ mit Nicola Beer, Vizepräsidentin des EU-Parlaments und DUP UNTERNEHMER-Verleger Jens de Buhr diskutiert.

Videotalk zum Thema digitale Souveränität

Souveränität meint eigentlich: die Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln und zu entscheiden. Und das eben auch im digitalen Raum. Wenn wir aber ehrlich sind, sind wir genau dazu im Moment nicht in der Lage. Wir sind zu abhängig von Zulieferern, laut der Bitkom-Erhebung beziehen 74 Prozent der deutschen Firmen digitale Technologien oder Services von US-amerikanischen Unternehmen, 62 Prozent aus China.

Eines darf aber nicht missverstanden werden: Digitale Souveränität hat nichts mit Abschottung oder Protektionismus zu tun. Es geht darum, die Wahl zu haben – zwischen Technologien aus Europa und aus den USA oder Fernost. Wir sind zudem ein exportorientierter Kontinent und können es uns schon aus diesem Grund gar nicht leisten, uns wirtschaftlich zu isolieren. Nicola Beer hat es im Gespräch so formuliert: Die Debatte um digitale Souveränität ziele vor allem darauf ab, strategische Autonomie im digitalen Bereich zu erlangen. Zum einen gelte es, festgestellte Abhängigkeiten abzubauen; zum anderen müssten eigene Fähigkeiten aufgebaut werden, etwa, indem Forschung und Entwicklung vorangetrieben und kritische Infrastrukturen geschützt werden.

Politik und Wirtschaft müssen jeweils ihren Part übernehmen. Dies kann aber nur im Zusammenspiel gelingen – und wenn die Politik den Rahmen dafür setzt, dass Innovationen entstehen. Dabei helfen soll auch GAIA-X: Die deutsch-französische Initiative will eine europäische Dateninfrastruktur aufbauen. Ziel ist es, durch die Möglichkeit zur sicheren grenzüberschreitenden Vernetzung unterschiedlichster Player die digitale Souveränität und technologische Innovationen in Europa zu fördern. DATEV ist Day-1-Mitglied von GAIA-X.

Der Grund, warum wir uns bei diesem Projekt engagieren, liegt vor allem in der Verschiebung der Wertschöpfung. In der analogen Welt fand selbst bei US-amerikanischen Unternehmen ein großer Teil der Wertschöpfung in Europa statt. In der digitalen Welt ist das vollkommen anders. Die großen Plattformanbieter ziehen die gesamte Wertschöpfung ab. Mitarbeiter müssen eben in Europa genauso wenig bezahlt werden wie Mieten oder neue Produktionsanlagen, wenn mit Daten hantiert wird, die man problemlos über den Großen Teich leiten und dort weiterverarbeiten kann. GAIA-X soll nun schnellstmöglich ein europäisches Gegengewicht zu den bereits etablierten Plattformen werden.

Wichtig ist aber auch, dass wir – bestenfalls gemeinsam mit den USA – eine Strategie konzipieren; beispielsweise mithilfe des „EU-USA Transatlantic Trade and Technology Council“, das die EU vorgeschlagen hat. Ein solches Gremium könnte helfen, dass Technologien im Sinne beider Seiten weiterentwickelt werden und ein fairer Wettbewerb entsteht. So können wir gemeinsame Standards auch zum Umgang mit Daten schaffen. Ein partnerschaftlicher Weg könnte der Königsweg sein, um ein vernünftiges Maß an digitaler Souveränität zu erreichen.

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Prof. Dr. Robert Mayr

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, CEO der DATEV eG. Die Genossenschaft gehört zu den größten Softwarehäusern und IT-Dienstleistern in Deutschland. Seine Themen: #DigitaleTransformation, #DigitalLeadership #Plattformökonomie und #BusinessDevelopment. Seine These: „Die digitale Transformation ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens.“

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