Arbeitsrecht & Soziales

Minderleister – Kündigung wegen Minderleistung erfordert Abmahnung

Wer Minderleister im Team hat, denkt schnell an ei­ne Ab­mah­nung und dann Kün­di­gung die­ser Ar­beit­neh­mer we­gen ih­rer Min­der­leis­tung. An­ge­sichts des Per­so­nal­man­gels in vie­len Bran­chen wä­re es aber oft bes­ser, sie zu qua­li­fi­zie­ren oder für an­de­re Auf­ga­ben einzuteilen.

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Viele empfinden die Bezeichnung als abwertend, sogar beleidigend. Und doch ist in Unternehmen häufig von Beschäftigten die Rede, die der Firmenleitung als Minderleister gelten. Selbst manche Kolleginnen oder Kollegen verwenden das Wort, sobald die Arbeit im Team durch den mangelnden Einsatz einzelner Personen leidet – schließlich hängt die erfolgsorientierte Entlohnung oft zumindest teilweise am gemeinsam erzielten Ergebnis, das durch Minderleister schlechter ausfällt als möglich. Leistungsschwache oder leistungsunwillige Beschäftigte sind für alle im Betrieb eine Herausforderung, weil sie unter den gestellten Erwartungen bleiben. Trotzdem sollten Vorgesetzte eine Abmahnung oder Kündigung wegen Minderleistung nur als äußerstes Mittel betrachten, um dieses Problem zu lösen. Erstens ist es arbeitsrechtlich nicht so einfach, jemanden wegen einer vermeintlichen Minderleistung zu entlassen. Zweitens wäre es angesichts des aktuellen Fachkräfte- sowie allgemeinen Personalmangels sinnvoller, Minderleister zu motivieren statt rauszuwerfen. Die Personalstrategie sollte ein Talent Management beinhalten, das auch vermeintlich schwierige Fälle berücksichtigt.

Was ist eigentlich ein Minderleister im Unternehmen?

Warum liefert ein Arbeitnehmer eine Minderleistung?

Die Abmahnung und Kündigung wegen Minderleistung

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Was ist eigentlich ein Minderleister im Unternehmen?

Was sind Minderleister? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Für andere Beschäftigte sind sie zunächst vielleicht nur lästig mit ihrem unterdurchschnittlichen Arbeitspensum oder einer höheren Fehlerquote. Allerdings können daraus rasch echte Probleme für das berufliche Umfeld entstehen. Beispielsweise, wenn ihre Leistung so sehr sinkt, dass die Kolleginnen und Kollegen einspringen müssen. Oder wenn sich Fehler und Qualitätsmängel häufen, was schlimmstenfalls Folgekosten oder Unzufriedenheit auch bei Kundinnen und Kunden auslösen kann. Allerdings ist rechtlich nirgends präzise festgelegt, wo die Minderleistung beginnt. Denn alle Beschäftigten sind einerseits verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Leistung zu erbringen. Andererseits dürften sich in Arbeitsverträgen kaum klare Kriterien finden, aus denen sich eine eindeutige Minderleistung ableiten lässt. In einem Beschäftigtenverhältnis, also mit einem Dienstvertrag, ist nämlich generell nur ein „Bemühen“ durch die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer geschuldet. Im Gegensatz dazu müssen Unternehmen als Auftragnehmer mit einem Werkvertrag ein festgelegtes Ergebnis oder einen bestimmten Erfolg liefern.

Minderleistung durch Arbeitnehmer heißt: Ein Drittel schlechter

Zwei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gelten bei einem Arbeitnehmer als Maßstab zur Abmahnung oder Kündigung wegen Minderleistung. Es urteilte 2003: „Ist die Arbeitsleistung im Vertrag der Menge und der Qualität nach nicht oder nicht näher beschrieben, so richtet sich der Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers.“ Beschäftigte müssen tun, was sie sollen – und dies, so gut sie können. Dabei schulden sie ihr „Wirken“, kein „Werk“. Andererseits muss der Arbeitserfolg qualitativ wie quantitativ bestimmte Anforderungen erfüllen. Eine Kündigung wegen schlechter Arbeitsqualität billigt das BAG, wenn Minderleister längere Zeit unterdurchschnittliche Leistungen abliefern. Etwa, wenn wie im konkreten Fall ihre Fehlerquote dreimal so hoch liegt wie die der anderen. Die BAG-Faustformel: Unterschreitung der Durchschnittsarbeitsleistung aller vergleichbaren Arbeitnehmer um ein Drittel. Denkbar ist eine Kündigung auch, wenn die persönlichen Fähigkeiten eigentlich weit bessere Leistungen ermöglichen.

Grafik zeigt die Erwartung der Beschäftigten für die kommenden drei Jahre und sagt damit viel über Mitarbeitermotivation und Minderleister oder Low Performer

Warum liefert ein Arbeitnehmer eine Minderleistung?

Bevor Unternehmen eine Abmahnung oder sogar Kündigung wegen Minderleistung durch einen Arbeitnehmer erwägen, sollten sie die Ursachen des Problems erforschen – führen beispielsweise krankheitsbedingte Gründe zur Minderleistung, ist eine Abmahnung ausgeschlossen. Die Ursachenforschung dient aber nicht nur der rechtssicheren Vorbereitung einer möglichen Entlassung, sondern kann auch zur Reintegration der Minderleister ins Team führen. Und das ist beim vielerorts beklagten Personalmangel häufig die bessere Alternative. Daher gilt es, zunächst genau zu definieren, was der Betrieb von den jeweiligen Beschäftigten erwartet. Außerdem lassen sich die Leistungen einzelner Personen auf dieser Grundlage leichter vergleichen und subjektiv empfundene Leistungsdefizite besser in Zahlen fassen. Der nächste Schritt sind jedoch keine sofortigen Sanktionen gegen Minderleister. Vielmehr geht es darum, die Situation aus der Perspektive der Betroffenen zu betrachten. Unter Personalfachleuten kursiert die Empfehlung: „Warum Chefs bei Minderleistern keine härtere Peitsche, sondern eine neue Brille brauchen.“ Und der Rat, die drei KDW-Fragen zu klären, das „Können – Dürfen – Wollen“:

  1. Können Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen ihre Aufgaben mithilfe der eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse bewältigen?
  2. Dürfen Minderleister die entsprechenden Aufgaben überhaupt erledigen? Wenn ja: Ist den Betroffenen möglicherweise unbekannt, wie weit ihr individueller Entscheidungsspielraum tatsächlich reicht?
  3. Wollen die Kritisierten tatsächlich etwas leisten?

Das Problem Minderleister ohne Abmahnung oder Kündigung lösen

Relativ einfach lässt sich der Problem der Minderleister ohne Abmahnung oder Kündigung wegen ihrer Minderleistung lösen, falls Arbeitnehmer in einem offenen Gespräch darlegen können, welche Hürden ihnen Probleme bereiten. So verbeißen sich etwa manche Beschäftigte in aus ihrer Sicht wichtige Aufgaben, in denen Vorgesetzte reine Nebensächlichkeiten sehen. So scheint die Leistung nicht zu stimmen. Es hilft, klare Zielvorgaben festzulegen. Beschäftigte müssen wissen, was ihr Arbeitgeber erwartet. Der wiederum sollte mögliche Hindernisse auf dem Weg zum Ziel beseitigen, die überall lauern können. Oft lassen sich Minderleister durch klare Absprachen leichter zu den Erwartungen entsprechenden Leistungen bringen. In anderen Fällen helfen den betreffenden Personen auch Coachings oder Trainings. Dabei kann es um Selbst- und Arbeitsorganisation ebenso gehen wie um die gezielte Vermittlung erforderlichen Fachwissens.

Manche Minderleister haben das Potenzial zum High Performer

Damit erst gar kein Umfeld für Minderleister entsteht, sollten Unternehmen auf ein System der kontinuierlichen Personalentwicklung setzen. Das beginnt mit der gezielten Nachwuchsförderung und sollte auch in vielen Betrieben noch nicht so verbreitete Methoden wie etwa das Mentoring umfassen. Enorm wichtig sind zudem leistungsunabhängige Mitarbeiterbeurteilungen – sie helfen, eventuelle Kompetenzlücken rechtzeitig zu erkennen und zu schließen. Außerdem lassen sich mit modernen Instrumenten – beispielsweise einem Assessment Center – bislang unerkannte oder sich gerade erst entwickelnde Potenziale beziehungsweise Neigungen und Interessen identifizieren. Können Beschäftigte diese Fähigkeiten im Unternehmen nutzen und weiter herausbilden, steigert das nachhaltig die Motivation – auch vieler Minderleister. Dazu gilt es natürlich, eine sinnvolle Weiterbildung anzustoßen. Chancen und Herausforderungen sowie Fortbildungen und Trainings sind wichtig im Umgang mit allen, die als Minderleister gelten. Unternehmen können ihnen dadurch unmissverständlich das Signal zum „Dürfen“ geben, die zweite der KDW-Fragen – und sie praktisch dabei unterstützen, ihre Chancen zu ergreifen.

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Auf persönliche Probleme oder Mobbing achten

Klarheit und Fortbildung an der richtigen Stelle hat schon viele Minderleister auf den Erfolgskurs zurückgebracht – auch ohne Androhung einer Abmahnung oder Kündigung wegen Minderleistung an den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin. Manchmal verhindern allerdings komplexere oder größere private Probleme, dass jemand die volle Leistung erbringt. Minderleister könnten etwa permanent überlastet sein. Unternehmen könnten dann etwa ein Sabbatical zur persönlichen Neuorientierung anbieten, statt gleich eine Kündigung auszusprechen. Schon deshalb, weil Arbeitgeber in der Pflicht sind, für ein der Gesundheit nicht abträgliches Arbeitsumfeld zu sorgen. Dazu zählt die Gefährdungsbeurteilung ebenso wie eine sinnvolle statt unnötig belastende Arbeitsorganisation. Häufig stecken hinter einer vermeintlichen Demotivation auch massive Probleme wie etwa ein Burnout, nicht nur bei Führungskräften. Verursacht eine Suchterkrankung oder Mobbing das Leistungsloch, müssen Unternehmen angemessene Hilfsangebote unterbreiten. Die Berufsgenossenschaften helfen dabei.

Die Abmahnung und Kündigung wegen Minderleistung

Manchmal stellt sich nach genauer Analyse der Situation aber heraus, dass jemand keine Leistung bringen will. Fehlt es tatsächlich am „Wollen“, dem dritten der KDW-Kriterien, lässt es sich im Umgang mit einem Minderleister oder einer Minderleisterin kaum vermeiden, per Abmahnung und anschließend mit einer Kündigung wegen Minderleistung gegen den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vorzugehen. Denn unabhängig vom Problem des Fachkräftemangels sollten sich Unternehmen wenn möglich von Beschäftigten trennen, die dauerhaft zu einem Ärgernis nicht nur für ihre Vorgesetzten, sondern auch für die Kolleginnen und Kollegen zu werden drohen. Dafür nutzen lässt sich das Instrument der verhaltensbedingten Kündigung, wobei aber hohe formale und inhaltliche Anforderungen zu erfüllen sind. Insbesondere muss das Unternehmen nachweisen, dass bei dem der Minderleistung bezichtigten Arbeitnehmer eine die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitende Leistung vorliegt. Dies hat unter anderem das Arbeitsgericht Siegburg bei der Kündigungsschutzklage eines Kfz-Mechanikers klargestellt, dem wegen schlechter Arbeitsleistungen verhaltensbedingt gekündigt worden war.

Das Unternehmen hatte moniert, der Mann habe bei einem Werkstatttest nur vier von sechs Fehlern erkannt sowie bei einem Auftrag anstehende Servicearbeiten vergessen. Dies schade dem Ruf des Unternehmens, und man habe trotz drei vorausgegangener Abmahnungen keinen Besserungswillen feststellen können. Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Weder habe der Arbeitgeber die Leistungen des Klägers über einen repräsentativen Zeitraum dargelegt, noch die Fehlerquote vergleichbarer Beschäftigter. So sei nicht erkennbar, ob er vorwerfbar die vertraglichen Verpflichtungen verletzt habe. Eine Kündigung der Minderleister hat also nur Aussicht auf Erfolg, wenn ihnen zunächst eine Abmahnung die Chance zur Verhaltensänderungen gegeben hat und dann mit der anschließenden Kündigung dokumentiert wird, dass die Leistung der betroffenen Person in Relation zu allen vergleichbaren Beschäftigten die Durchschnittsleistung erheblich unterschreitet. Hier gilt dann als Faustformel die Unterschreitung um ein Drittel.

Vor der Kündigung steht die Abmahnung wegen Minderleistung

Eine Abmahnung und anschließende Kündigung wegen Minderleistung an Arbeitnehmer, die im Unternehmen als Minderleister gelten, sollte aber stets mit der Anwaltskanzlei abgesprochen sein, denn der Teufel liegt in den individuellen Details. So könnte dem Unternehmen zum Beispiel statt einer Kündigung die Versetzung der Minderleister an einen anderen Arbeitsplatz oder eine Änderungskündigung, sprich weniger Geld bei gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, als Alternative zumutbar sein. Dies gilt es ebenso zu prüfen wie das formal richtige Vorgehen und eine wasserdichte Argumentation, bevor man eine Kündigung ausspricht und damit eine Kündigungsschutzklage riskiert.

Über weitere Details zum Thema Kündigungsschutz informiert dieses Video.
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Frank Wiercks

ist Mitglied der Redaktion von TRIALOG, dem Unternehmermagazin für Mittelständler, Selbständige und Freiberufler. Außerdem arbeitet er für verschiedene Wirtschafts- und Managementmagazine. Zuvor war er unter anderem Chefredakteur von handwerk magazin und Markt und Mittelstand.

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