Arbeitsrecht & Soziales

Umziehen in der Arbeitszeit möglichst vertraglich regeln

Das Um­zie­hen in der Ar­beits­zeit sorgt oft für Dis­kus­sio­nen: Was gilt et­wa als Um­klei­de­zei­ten, und reicht als Be­zah­lung auch ei­ne Pau­scha­le? Un­ter­neh­me­rin­nen und Un­ter­neh­mer soll­ten da­her mit Fach­leu­ten für Ar­beits­recht was­ser­dich­te Lö­sun­gen zum The­ma entwickeln.

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In vielen Unternehmen müssen die Beschäftigten eine vorgeschriebene Dienst- oder Schutzkleidung tragen. Rasch sieht sich die Geschäftsleitung dann mit der Forderung konfrontiert, das erforderliche Umziehen als bezahlte Arbeitszeit zu betrachten. Tatsächlich schuldet der Firmenchef oder die Firmenchefin allerdings nur in besonderen Fällen ein Entgelt. Denn bei der Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit“ kommt es auf diverse Details an. Ob Umkleidezeiten als Arbeitszeit gelten, hängt zum Beispiel von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen, individuellen Arbeitsverträgen oder Urteilen der Arbeitsgerichte ab. Daraus ergibt sich auch, wieviel Minuten von der Umkleidezeit eventuell als Arbeitszeit zu werten sind oder ob für die Bezahlung der Umkleidezeiten eine Pauschale reichen kann. Deshalb sollten Unternehmerinnen und Unternehmer die Frage des Umziehens während der Arbeitszeit mit Fachleuten für Arbeitsrecht besprechen und individuell für ihren Betrieb klären.

Wo ist das Umziehen in der Arbeitszeit gesetzlich geregelt?

Wann können die Umkleidezeiten als Arbeitszeit gelten?

Beim Umziehen in der Arbeitszeit weitere Aspekte beachten

Wo ist das Umziehen in der Arbeitszeit gesetzlich geregelt?

Ob das Umziehen als Arbeitszeit zu werten beziehungsweise wie es zu entlohnen ist, kann auf unterschiedliche Weise geregelt sein. Unter anderem gibt es Tarifverträge, in denen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sich zu dem Thema auf bestimmte Eckpunkte geeinigt haben. So besagt etwa der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen, dass weder Wasch- noch Umkleidezeiten zur Arbeitszeit zählen. Oft lässt sich die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit“ aber nicht allein durch einen Blick in den Tarifvertrag beantworten. Denn dort findet sich statt konkreter Vorgaben häufig nur ein Verweis darauf, dass dieses Thema einer Regelung per Betriebsvereinbarung bedarf. Unternehmerinnen und Unternehmer können also im Einvernehmen mit ihrer Belegschaft festlegen, wie viele Minuten der Umkleidezeit bezahlt werden. Oder ob es unabhängig von der konkreten Dauer für Umkleidezeiten eine pauschale finanzielle Entschädigung gibt. Wollen Arbeitgeber exakte Anweisungen zur Arbeitszeit machen, müssen sie dabei stets auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz achten.

Die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit?“ anwaltlich klären

Ist die Frage, ob Umziehen zur Arbeitszeit gehört, weder tariflich noch per Betriebsvereinbarung geregelt, sind individuelle Vereinbarungen denkbar. Das Unternehmen kann sich dann mit einzelnen Beschäftigten auf einen entsprechenden Zusatz zum Arbeitsvertrag einigen. So lässt sich festlegen, wie viel Minuten der Umkleidezeit als Arbeitszeit gelten oder ob die Umkleidezeiten mit einer Pauschale abgegolten sind. Solche Absprachen sollten Firmenchefs und Firmenchefinnen aber nie ohne anwaltliche Unterstützung treffen. Denn sie müssen nicht nur allgemeine arbeitsrechtliche und tarifvertragliche Regelungen berücksichtigen, sondern auch einschlägige Urteile der Arbeitsgerichte beachten. Die haben in Ermangelung einer eindeutigen gesetzlichen Vorgabe mit zahlreichen Entscheidungen einen Rechtsrahmen geschaffen, aus dem sich auch eine Antwort auf die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit?“ ergeben kann. Sinnvoller als individuelle Vereinbarungen dürfte meistens eine unternehmensweit geltende Betriebsvereinbarung beziehungsweise Anweisung durch den Arbeitgeber sein. Dann sind die Vorgaben eindeutig. Niemand müsste sich also mit vielen in einzelnen Arbeitsverträgen festgehaltenen Feinheiten zum Umziehen während der Arbeitszeit beschäftigen.

Über die Regelungen zum Umziehen während der Arbeitszeit informiert auch dieses Video

Wann können die Umkleidezeiten als Arbeitszeit gelten?

Ohne vertragliche Regelung ist das Umziehen während der Arbeitszeit immer vergütungspflichtig, sobald das Unternehmen vorschreibt, eine bestimmte Kleidung zu tragen und sie erst im Betrieb anzulegen, so das Bundearbeitsgericht (BAG). Muss jemand eine Schutz- oder Arbeitskleidung tragen, die ausschließlich in einem Spind im Unternehmen aufzubewahren ist statt zuhause, sind die nötigen Umkleidezeiten als Arbeitszeit zu werten. Dann lässt sich weder darüber diskutieren, wie viel Minuten der Umkleidezeit als Arbeitszeit bezahlt werden, noch ob es für die Umkleidezeiten eine pauschale finanzielle Entschädigung gibt. Hat das Unternehmen auf eine entsprechende vertragliche Regelung verzichtet, bezahlt es auch das Umziehen als Arbeitszeit.

Bei Fremdnützigkeit gilt das Umziehen als Arbeitszeit

Existiert keine eindeutige Anordnung zum Umkleiden, obwohl Dienst- oder Schutzkleidung anzulegen ist, stellt sich die ganze Sache weniger eindeutig dar. Die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit?“ wird dann unter dem Aspekt der sogenannten ausschließlichen Fremdnützigkeit betrachtet. Demnach gilt das Umziehen während der Arbeitszeit als vergütungspflichtig, sobald es dem Bedürfnis des Unternehmens dient und zugleich kein eigenes Bedürfnis der Beschäftigten erfüllt. Dies wäre etwa der Fall, wenn das Tragen einer Berufskleidung vorgeschrieben ist, die nicht privat genutzt werden darf. Schließlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann gezwungen, sich im Betrieb umzuziehen. Also sind Umkleidezeiten als Arbeitszeit zu werten. Auch in diesem Fall dürfte sich weder die Frage stellen, wie viel Minuten der Umkleidezeit als Arbeitszeit bezahlt werden, noch ob es für die Umkleidezeiten eine pauschale finanzielle Entschädigung gibt.

Bei Eigeninteresse ist das Umziehen keine Arbeitszeit

Viele Beschäftigte dürfen Dienst- oder Schutzkleidung aber zuhause anziehen und arbeitsfertig bekleidet ins Unternehmen kommen. Entbrennt dann ein Streit, ob das Umziehen zuhause Arbeitszeit ist, achten die Arbeitsgerichte auf Farben, Funktionen und Firmenlogos. Bei dezenter Bekleidung, die weder Rückschlüsse auf die Tätigkeit noch den Arbeitgeber zulässt, ist Umziehen meistens keine Arbeitszeit. Die Umkleidezeiten sind also keine Arbeitszeit. Es stellt sich weder die Frage, wie viel Minuten der Arbeitszeit als Umkleidezeit gelten, noch ob eine Pauschale ausreicht. Das Argument der Arbeitsgerichte: Jeder und jede dürfte sich für den Weg zur Arbeit anziehen – wer geht schon nackt raus? Also ist das Anziehen der Dienstkleidung zuhause im Eigeninteresse der betreffenden Personen – und verursacht null Zusatzaufwand. Im Betrieb wiederum muss man sich dann nicht Umziehen – ebenfalls kein Zusatzaufwand. Erscheint also etwa eine Bedienung wie vorgeschrieben mit dunkler Hose und dunklem Hemd zur Gaststätte, gilt das Umziehen in der eigenen Wohnung deshalb nicht als Arbeitszeit.

Bei auffälliger Kleidung gelten Umkleidezeiten als Arbeitszeit

Anders fällt die Antwort auf die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit?“ allerdings aus, wenn jemand besonders auffällige Dienst- oder Schutzkleidung trägt. Nach Meinung der Arbeitsgerichte ist niemand dazu verpflichtet, eine Uniform, spezielle Warnschutzkleidung oder auch Dienstkleidung mit einem auffälligen Logo schon auf dem Arbeitsweg anzuziehen. Dies gilt sogar für das typische Weiß, das medizinisches und Pflegepersonal in der Öffentlichkeit als solches identifizierbar machen würde. In diesen Fällen zählt das Anlegen der auffälligen Dienst- oder Schutzkleidung im Betrieb auch ohne ausdrückliche Anordnung durch den Arbeitgeber als vergütungspflichtige Umkleidezeit in der Arbeitszeit. Denn es ist den Betroffenen nicht zuzumuten, durch ihre Dienstkleidung auf dem Arbeitsweg quasi ihren Beruf zu offenbaren.

Beim Umziehen in der Arbeitszeit weitere Aspekte beachten

Wichtig ist, bei der Antwort auf die Frage „Ist Umziehen Arbeitszeit?“ über die eigentlichen Umkleidezeiten hinauszublicken. Existieren keine anderslautenden vertraglichen Regelungen, zählt zur vergütungspflichtigen Umkleidezeit nämlich nicht nur das Umziehen selbst. Zu berücksichtigen ist dann auch die im Betrieb anfallende Wegezeit. Muss sich also beispielsweise jemand zuerst im zentralen Umkleideraum umziehen und dann von dort zum endgültigen Einsatzort etwa an einer bestimmten Maschine gehen, gibt es Geld für den möglichen Umweg vom direkten Arbeitsweg. Ist etwa jemand eigentlich im zweiten Stock eines Fabrikgebäudes tätig, muss aber zum Umziehen ins Untergeschoss, gilt der Weg vom Erdgeschoss in den zweiten Stock als direkter Arbeitsweg. Die Strecke vom Erdgeschoss ins Untergeschoss und zurück ist bezahlte Wegezeit, da der Umweg zum Aufsuchen der Umkleideräume notwendig ist. Allerdings wären Vereinbarungen denkbar, wie viel Minuten der Umkleidezeit als Arbeitszeit gelten werden oder ob es für Umkleidezeiten eine Pauschale gibt. Das sollte stets mit anwaltlicher Unterstützung geschehen.

Bei Umkleidezeiten in der Arbeitszeit auf Details achten

Die Frage, ob das Umziehen Arbeitszeit ist, hat viele Facetten. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten zuerst mit der Anwaltskanzlei die gesetzlichen sowie tariflichen Vorgaben studieren und entscheiden, ob eine Betriebsvereinbarung sinnvoll wäre. Die gilt es dann so zu formulieren und rechtssicher unter Beteiligung des Betriebsrats umzusetzen, dass sie zu diversen Gerichtsurteilen passt. In diesem Zusammenhang ist nicht nur zu klären, ob Umkleidezeiten per Pauschale abgegolten werden können oder wie viel Minuten der Umkleidezeit sich höchstens als Arbeitszeit werten lassen. Es geht auch darum, dies richtig in der Zeiterfassung zu berücksichtigen. Außerdem gilt es, bei der Umkleidezeit als Arbeitszeit einen möglichen Unterschied zwischen regulären Arbeitseinsätzen und Bereitschaftszeiten zu prüfen. Arbeitsschutz- sowie tarifrechtlich gilt Bereitschaftsdienst zwar als Arbeitszeit, er kann aber anders vergütet sein kann als Vollarbeit. Dann wäre für das Umziehen in der Arbeitszeit während der Bereitschaftsphase weniger Bezahlung fällig. Diese und weitere Fragen gehören unbedingt ins Gespräch mit Fachleuten für Arbeitsrecht.

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Frank Wiercks

ist Mitglied der Redaktion von TRIALOG, dem Unternehmermagazin für Mittelständler, Selbständige und Freiberufler. Außerdem arbeitet er für verschiedene Wirtschafts- und Managementmagazine. Zuvor war er unter anderem Chefredakteur von handwerk magazin und Markt und Mittelstand.

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