Digitalisierung

Zeiterfassung per App macht die Unter­neh­mens­führung effizienter

Die Zeiterfassung per App hat vie­le Vor­tei­le. Sie er­leich­tert die Auf­zeich­nung von Stun­den, Pla­nung von Pro­jek­ten oder Zu­wei­sung von Kos­ten. Un­ter­neh­mer soll­ten den Ein­satz al­ler­dings ge­nau mit Steuer­be­ra­ter und An­walt be­spre­chen, weil es auch recht­li­che Fallen gibt.

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Die Entscheidung mit dem Aktenzeichen Az.:C-55/18 hat für einiges Aufsehen gesorgt. Im Mai 2019 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Unternehmen die tägliche Arbeitszeit von jedem Beschäftigten erfassen müssen. Er begründete dies mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie – zum Schutz der Beschäftigten macht sie Vorgaben etwa zu Ruhepausen, bezahltem Urlaub oder Nachtarbeit. Wirtschaftsverbände kritisierten die Richter für ihr Urteil, Arbeitnehmervertreter spendeten Beifall – und alle diskutierten, wie die Unternehmen darauf reagieren sollten. Rechtlich hat sich in Deutschland seitdem kaum etwas geändert. Allerdings macht die Pandemie das Arbeiten von unterwegs oder im Homeoffice zu einem Thema, das so gut wie alle Betriebe betrifft – nicht nur jene mit Beschäftigten im Außendienst oder einer modernen Firmenkultur, die Büroarbeit schon immer auch zuhause erlaubte. Da viele Unternehmen nun eine Dokumentation von Homeoffice oder mobilem Arbeiten wünschen, stellt sich die Frage nach einer modernen Stempeluhr. Das könnte die bequeme Zeiterfassung per App sein.

Besteht eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

Bislang gilt für Unternehmen in Deutschland – trotz EuGH–Urteil – keine generelle Pflicht zur Zeiterfassung für eine Übersicht über geleistete Stunden. Es gibt lediglich gesetzlich geregelte Sonderfälle und betriebliche oder tarifvertragliche Regelungen, wo dann auch eine Zeiterfassung per App möglich wäre. Arbeitgeber müssen etwa die Stunden von geringfügig Beschäftigten notieren, die nicht im privaten Bereich tätig sind. Laut Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ist die Arbeitszeit auch aufzuzeichnen in Wirtschaftsbereichen, wo eine besondere Missbrauchsgefahr besteht. Dazu gehören beispielsweise Baugewerbe, Messebau, Fleischwirtschaft, Speditions-, Transport und Logistikbereich sowie Gaststätten und Herbergen, Gebäudereinigungen oder Unternehmen der Forstwirtschaft. Zeitungszustellerinnen und -zusteller sowie Beschäftigte bei Paketdiensten müssen ebenfalls regelmäßig ihre Einsatzzeiten erfassen. Auch die Lenkzeiten von Berufskraftfahrern sind aufzuzeichnen. Zur nachweislichen Einhaltung des Mindestlohns spielt eine entsprechende Dokumentation der Arbeitszeiten eine große Rolle. Auch dafür bietet sich die Möglichkeit zur Zeiterfassung mit einer App an.

Gesetzesänderung dürf­te Zeiterfassung per App fördern

Zudem muss jedes Unternehmen eine generelle Verpflichtung gemäß Arbeitszeitgesetz einhalten. Demnach sind über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Stunden der Beschäftigten aufzuzeichnen. Arbeitet jemand werktags mehr als die üblichen acht Stunden, ist dies festzuhalten. Überstunden lassen sich per Arbeitszeitkonto gut dokumentieren und zum flexibleren Personaleinsatz nutzen. Für Sonn- und Feiertage gilt ebenfalls eine Aufzeichnungspflicht der geleisteten Stunden. Sich bei der Dokumentation auf diese Fälle zu beschränken, war aber noch nie eine gute Idee. Bei Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über geschuldeten Lohn geht es oft um Stunden. Und die sollten Unternehmerinnen oder Unternehmer im Streitfall immer auflisten können, um ihre Position hieb- und stichfest zu belegen. Künftig könnte die Dokumentation der Arbeitszeit allerdings aufgrund des EuGH-Urteils sowieso verpflichtend sein. Dem Bundesarbeitsministerium liegt inzwischen ein Gutachten vor, nach dem das deutsche Arbeitszeitgesetz entsprechend zu ändern sei, um die EU-Vorgaben zu erfüllen. Spätestens dann dürfte die Zeiterfassung per App wohl jeden Betrieb interessieren.

Wie sinnvoll ist die Zeiterfassung mit einer App?

Unabhängig vom EuGH-Verfahren sowie möglichen Gesetzesänderungen wäre es aber generell empfehlenswert, die aktuellen technischen Trends bei der Zeiterfassung zu studieren. Erstens ist das Thema ein wichtiger Aspekt bei der Digitalisierung, die mehr Arbeit im Homeoffice erlaubt – und in Zeiten von Corona schon fast zur Pflicht macht. Nicht jeder Unternehmer, der seine Beschäftigten neuerdings zuhause arbeiten lässt, möchte sich allerdings auf die Variante „Vertrauensarbeitszeit“ verlassen. Viele legen weiterhin Wert auf nachvollziehbar dokumentierte Auflistungen der Arbeitsstunden. Und zweitens ist die Erfassung der geleisteten Stunden auch eine Frage der effizienteren Unternehmensführung beziehungsweise Projektabrechnung. Mit der passenden Lösung lassen sich Leistungen rund um Aufträge besser in Zahlen abbilden und Einsätze besser planen. Daher sollten sich nicht nur Software-affine Unternehmen der IT-Branche mit dem Thema beschäftigen, sondern auch Handwerker oder Dienstleister. Welche Möglichkeiten die Zeiterfassung per App auf dem Smartphone eröffnet, zeigt beispielsweise der „Leitfaden mobile Zeiterfassung in KMU“ des Bundeswirtschaftsministeriums am Beispiel eines Malers.

Planung kann von Zeiterfassung mit App profitieren

Natürlich ist die Zeiterfassung mit einer App nicht alternativlos. Grundsätzlich könnten Unternehmen ohne Beschäftigte im Außeneinsatz oder Homeoffice klassische Methoden zum Festhalten geleisteter Stunden nutzen. Der Stundenzettel mit Eintrag und Gegenzeichnen wäre ebenso denkbar wie die altmodische Stempeluhr neben der Eingangstür. Aber sollte nach der bevorstehenden Gesetzesänderung jeder, vom Lehrling bis zum angestellten Geschäftsführer, tagtäglich ein- und ausstempeln oder gegenzeichnen lassen? Das wäre ein enormer bürokratischer Aufwand. Unternehmerinnen und Unternehmer mit Weitblick planen deshalb, falls sie nicht sowieso schon daran gedacht haben, mit einer Zeiterfassung per App. Hier gibt es zahlreiche professionelle Lösungen, die sich mit Programmen der Personalwirtschaft verbinden lassen. Sie versorgen etwa die Lohnbuchhaltung in einem reibungslosen Workflow mit revisionssicheren Daten. Zugleich lassen sich so problemlos diverse Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten einhalten. Bei der Auswahl des zum Unternehmen passenden Systems unterstützt der Steuerberater. Er kann beurteilen, wie sich die Zeiterfassung per App in die bestehenden kaufmännischen Systeme integrieren lässt.

Was erfordert die Zeiterfassung per App an Datenschutz?

An den Aspekten Datenschutz und Datensicherheit kommt bei diesem Thema natürlich kein Unternehmer vorbei. Wer sich für eine Zeiterfassung per App entscheidet, muss insbesondere auf die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) achten. Beim Einsatz digitaler Systeme – und nichts anderes ist die Zeiterfassung mit einer App – erhebt der Betrieb personenbezogene Daten seiner Beschäftigten und verarbeitet sie. Also gelten die strengen Datenschutzregelungen der DS-GVO. Ganz wichtig ist, dass Arbeitgeber von betroffenen Beschäftigten eine Einwilligung zur Erhebung und Speicherung der Daten einholen. Dies gilt insbesondere bei einer Zeiterfassung per App über ein Programm auf dem Smartphone, das die Erstellung von Bewegungsprofilen ermöglicht. Manche Anbieter werben damit, dass ihre Software per GPS-Ortung automatisch aufzeichnet, ob jemand im Einsatzgebiet – etwa einer Baustelle – ist oder bei der Anfahrt. So entstehen individuelle Bewegungsprofile, die exakt Arbeitszeiten und Einsatzorte dokumentieren sowie die eventuell unterschiedliche Betrachtung von Fahrt- und Arbeitszeiten erlauben. Das ist unbedingt mit Anwalt oder Anwältin zu besprechen.

Mitarbeiter gut informieren und schriftlich zustimmen lassen

Generell sollten Unternehmer vor der Zeiterfassung per App den Einsatz strukturiert mit einem auf Datenschutz beziehungsweise DS-GVO spezialisierten Rechtsexperten vorbereiten. Sie sollten

  • die Beschäftigten genau über das Erheben, Speichern und Verarbeiten personenbezogener Daten informieren,
  • nach dieser Aufklärung eine schriftliche Einverständniserklärung einholen und
  • eventuell zuerst eine Datenschutz-Folgenabschätzung vornehmen. Das ist zumindest zwingend bei der Verwendung von biometrischen Daten für die Zeiterfassung mit einer App. Zum Einsatz ihres Fingerabdrucks können Beschäftigte nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg übrigens nicht verpflichtet werden.
veranstaltungstipp
Digitale Souveränität erfordert unabhängigkeit vom Silicon Valley

Unter dem Motto »Europe 2021« finden vom 2. bis 4. Februar diverse digitale Podiumsdiskussionen statt. Sie beschäftigen sich mit Themen, die dieses Jahr dominieren dürften. Europa muss unbedingt seine Hausaufgaben machen – vom Stärken der Demokratie über die digitale Souveränität des Kontinents im gemeinsamen europäischen Binnenmarkt bis zum Einhalten der Klimaschutzziele. Gerade alle Themen rund um die Digitalisierung sind dringend und von enormer Tragweite: Wer heute privat und beruflich Softwarelösungen nutzt, landet schnell im Ökosystem der US-IT-Konzerne – spätestens, wenn es um das Speichern von Daten in der Cloud geht. Was könnte dies beispielsweise für die Erfassung und Dokumentation von Arbeitstzeiten per App bedeuten, etwa mit Blick auf den Datenschutz? Dr. Robert Mayr, CEO der DATEV eG, diskutiert am 3. Februar um 13 Uhr zum Thema »Digitale Datensouveränität« unter der Moderation von Wirtschaftswoche-Chefredakteur Beat Balzli mit Claudia Nemat (Deutsche Telekom AG) und Wolf-Henning Scheider (ZF Group Friedrichshafen). Die Teilnahme ist kostenlos.

Mehr Infos zum Programm

Kostenlose Anmeldung

Das Betriebsver­fas­sungs­ge­setz und die Zeiterfassung per App

Neben den Vorgaben der DS-GVO beim Umgang mit personenbezogenen Daten greifen bei der Zeiterfassung per App weitere Rechtsvorschriften. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten vor Einführung entsprechender Systeme dringend mit einem Anwalt klären, was sie unbedingt noch beachten müssen, weil es entweder in Gesetzen steht oder in tariflichen Vereinbarungen festgeschrieben ist. So hat beispielsweise der Betriebsrat gemäß §87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von Systemen zur Arbeitszeiterfassung. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sollten deshalb, falls im Unternehmen vorhanden, bereits frühzeitig mit dem Betriebsrat ihre Pläne diskutieren. Das gilt für den Einsatz einer einfachen Excel-Tabelle ebenso wie für die moderne Zeiterfassung mit einer App oder per Fingerabdruck. Am besten dürfte daher sein, die Zeiterfassung mit einer App als Projekt anzugehen, in das Anwalt und Steuerberater eng eingebunden sind. So lassen sich rechtliche Fehler vermeiden. Und durch die Zeiterfassung per App möglichst Daten erheben, die reibungslos in der Buchführung weiterverarbeitet werden können.

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Frank Wiercks

ist Mitglied der Redaktion von TRIALOG, dem Unternehmermagazin für Mittelständler, Selbständige und Freiberufler. Außerdem arbeitet er für verschiedene Wirtschafts- und Managementmagazine. Zuvor war er unter anderem Chefredakteur von handwerk magazin und Markt und Mittelstand.

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